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Buben lebte, hat sie immer nur auf Tage zu Gast, bis auf den Jüngsten*310, und bei dem wirds auch bald so weit sein. Und doch - bei vielen, vielen anderen harten Dingen, die noch dabei sind - tapfer zu bleiben, aufrecht, jung im Herzen trotz der weißen Haare, - das ist etwas Großes! Bei Raabe las ich heut ein schönes Wort. Da sagt eine kranke Frau zu einem jungen Manne, der viel Schweres zu tragen hat: »Wir Frauen sind sehr schwach; aber wir können auch sehr stark sein. Ihr Männer sagt zwar auch, daß ihr hofft, aber wie häufig täuscht ihr euch und rechnet da, wo ihr zu hoffen meint! ... Große Schmerzen können wir Frauen ertragen, nur die Liebe muß dabei sein; ohne die Liebe sind wir nichts.«*311 - Für das Kruzifix danke ich recht herzlich.*312 Es ist mir sehr lieb und ist auch sehr schön, viel schöner, als ich es haben wollte. Und ganz besonders danke ich für den Brief. Es ist derselbe Ton, den ich schon oft vernahm, und nie müde werde zu hören; auch mir scheint es, als werde er immer tiefer und innerer. Behüte Gott alles und segne es! Mir ists wie ein Wunder, von dem ich nie geglaubt hätte, es würde mir begegnen. Als ich von Freiburg heimfuhr, gestern vor acht Tagen, besuchte ich Karl in Worms.*313 Da habe ich mich gefreut. Seit ich mit Dir näher zusammenkam, in diesem Jahr, wurde mir mein Verhältnis zu Karl unklar. Mir schien es, als bedeute er mir nicht mehr so viel, wie früher. Nun ist mirs aber ganz klar geworden, daß das, was uns beide verband, durch Dich, Josef, in keiner Weise entkräftet wurde. Im Gegenteil, ich fühle mich durch das, was Du mir geworden bist, in der Verbindung mit Karl befestigt, und bin mir ihrer Eigentümlichkeit erst recht bewußt. Ich weiß, daß Dich das freut, drum erzähle ich es Dir. - Meine Arbeit ist im systematischen Teil als Konzept fast fertig.*314Noch eine Woche. Nun gehe ich auf einige Tage nach Fulda, um dort zu sehen, ob die Franziskaner in ihrer Bibliothek etwas haben. Bis Ostern denke ich mit dem Ganzen fertig zu sein. Wie ists mit dem Abschreiben?*315 - Anfangs hieß es, ich solle Ostern wieder in die Seelsorge zurück, weil da der Mangel an Kräften so groß ist. Nun habe ich Hoffnung, daß ich noch das Ostersemester dazukriege.*316 Ich wäre sehr froh darum, schon deswegen, weil die Vorbereitung auf das Rigorosum neben einer wenn auch leichten Seelsorge doch recht lästig wäre. Den 310 Aleardo Guardini (20.1.1891, Mainz, bis 16.8.1956, Mailand). 311 Wilhelm Raabe, Die Leute aus dem Walde, Kap. 31. Zu Raabe vgl. Br. 18. 312 Vgl. Br. 37. 313 Karl Neundörfer hatte eine Kaplanstelle in Worms inne. 314 Dissertation: Die Lehre des heiligen Bonaventura von der Erlösung. Ein Beitrag zur Geschichte und zum System der Erlösungslehre, Düsseldorf (Schwann) 1921 (M 62). 315 Abgeschrieben wurde die Arbeit aus dem Stenogramm von Maria Knoepfler. 316 Die Promotion zum Dr. theol. erfolgte erst am 15. Mai 1915 in Freiburg. | ||
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