Romano Guardini Online Konkordanz
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der besondere Charakter jenes "Wir", das in der Kirche besteht, im Vaterunser redet und in der Nächstenliebe handelt. Fehlt dieser Ernst, dann bildet sich das falsche Wir, das unmittelbare Aufgehen des Einzelnen in den Gesamtheiten - jene Zerstörung der Person, die wir heute überall erleben.
Nach jenem alles fernere begründenden Satz folgt der Bericht über den Gang des Schöpfungswerkes: wie Gott innerhalb des ersten von Ihm verwirklichten Seins ein Ding um das andere, einen Bereich um den anderen erstehen läßt.
Zuerst heißt es: "Die Erde war wüst und leer, und der Geist Gottes schwebte über der Urflut." Das ist das Chaos. Nicht das mythische, ewige, sondern das von Gott geschaffene; der erste Zustand der Welt.
Dann folgen die Werke der Scheidung: die brauende Fülle wird gesichtet.
Was da gesagt wird, dürfen wir nicht mit unseren an der Wissenschaft geschulten Begriffen denken. Es enthält nichts Naturwissenschaftliches, sondern verkündet eine religiöse Botschaft. Und wenn von den Weltdingen geredet wird, dann geschieht das in Bildern, wie der frühe Mensch sie braucht.
Zuerst werden "Licht und Finsternis" geschieden. Beide werden also wie Mächte gesehen, die noch ineinander vermischt und verworren sind. Nun treten sie auseinander. Es entsteht, klar benennbar, "das Licht" und, ihm gegenüber "das Dunkel". Der Name aber, den sie bekommen, heißt "Tag" und "Nacht": es sind die Bereiche, in denen sich das Leben des Menschen vollziehen wird.
Die zweite Scheidung betrifft den oberen Weltraum, wir würden sagen, die Luftatmosphäre. Auch da ist zuerst Chaos: blauer Himmel und dunkles Gewölk, helle Luft und Wasserdunst sind gleichsam ineinander gewirbelt. Nun scheidet sich das Firmament, das heißt, die dem Auge sich bietende klare Wölbung heraus, und von ihm trennen sich die Massen der Nebel und Wolken. Aus einem verworrenen Gemisch wird übersehbares Geschehen.

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