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Sicherheit den verschiedenen Lebenssituationen gegenüber besitze; und ebenso, ob man über die Sprache verfüge und rasch zu formulieren verstehe. Das ist eine Sache der sittlichen Bildung, um welche die Erziehung sich kümmern sollte. Manche Lüge entsteht aus Schüchternheit und Verlegenheit -und ebenso aus mangelnder Beherrschung der Sprache. Zu Fragen eigener Art führen Zustände, wie wir sie aus der Vergangenheit und Gegenwart kennen: wenn eine Gewaltherrschaft das Leben unter Zwang setzt und keine eigene Überzeugung gestattet. Hier ist der Mensch in beständiger Notwehr. Gewalt-Übende haben kein Recht, Wahrheit zu verlangen und wissen auch, daß sie keine erwarten können. Durch die Gewalt verliert die Sprache ihren Sinn. Sie wird beim Vergewaltigten zu einem Mittel des Selbstschutzes - es sei denn, die Situation gestalte sich so, daß sie das Zeugnis fordert, wodurch der Sprechende Gut und Leben wagt. Das zu ermessen, ist Sache des Gewissens - und der in sicherer Freiheit Lebende soll, bevor er hier urteilt, sich wohl prüfen, ob er das Recht dazu habe. Jedenfalls bedeutet Wahrhaftigkeit, daß man die Wahrheit sage; und nicht nur einmal, sondern immer wieder; so, daß eine dauernde Haltung daraus wird. Sie bringt in den ganzen Menschen, sein Wesen und Tun, etwas Klares und Festes. Und die Wahrheit nicht nur sage, sondern auch tue; denn man kann auch durch Handlungen, Haltungen und Gebärden lügen, wenn sie etwas auszudrücken scheinen, das nicht ist. Wahrhaftigkeit ist aber noch mehr. Es war bereits die Rede davon, daß es keine abgesonderte Tugend gibt. Sicher ist uns schon aufgefallen, daß die Natur den herausgelösten, »reinen« Ton nicht kennt, er vielmehr immer Ober- und Untertöne hat, also ein Akkord ist; daß die reine Farbe ebensowenig vorkommt, sondern nur mit anderen Farben gemischte. So kann auch die »bloße« Wahrhaftigkeit nicht bestehen; sie wäre hart und würde sich selbst ins Unrecht setzen. Was | ||
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