Romano Guardini Online Konkordanz
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Adel. Besonders schön ist es, lesend so zu gehen, und vom Buch, aus der Welt seiner Gedanken hinweg, in das Wesen ringsum zu blicken. Dann erscheinen einem die Dinge wie neu. Nach dem eintönigen Schwarz und Weiß des gedruckten Blattes leuchten die Farben, und nach der harten Gleichmäßigkeit des Druckbildes gewinnen die Formen lebendige Ausdruckskraft. Mit so manchen Großen des Geistes ist mir der Garten nun schon verbunden, und mehr als einmal, wenn ich wieder eine Seite aus Platons Staat aufschlage, schauen seine Bäume zu mir her.
So sind wir denn allmählich Freunde geworden, die Bäume und ich. Freilich habe ich auch wieder meine Zweifel. Es steht sehr dahin, was sie selbst dazu meinen ...
Da sind gleich rechts, wenn man vom Hause aus den Weg betritt, zwei Magnolien, groß fast wie mittlere Buchen, mit langen, elastischen Zweigen. ihre Blätter sind handgroß, schlank geformt, tief dunkelgrün und glänzend, als wären sie poliert. Greift man hinein, dann rascheln sie, als bestünden sie aus einem fremdartig-festen Stoff. Sie fallen im Herbst nicht ab; den ganzen Winter hindurch steht das dunkelgrün glänzende Gebilde da.
Im Herbst setzen sie die Knospen an, und im Sommer bricht es mächtig hervor: Blüten, groß wie zwei geöffnete Hände; mit schweren, einfach geformten Blättern, weiß, leicht ins Grünlich-Gelbe, an der Unterseite ins Rot-Bläuliche schimmernd. Es ist etwas richtig Gewaltiges, wenn die hohen Bäume in ihrer blühenden Herrlichkeit dastehen, und ein berauschender, süßer Duft wie von Äpfeln und jungem Wein von ihnen ausströmt.
Wenn die Blütenblätter fallen, bilden sich faustgroße, elegant aus dem scharf zusammengezogenen Stengelschaft herauswachsende Fruchtgebilde, ein wenig den Pinienzapfen ähnlich. Wird es dann Spätherbst, so werden sie rot, öffnen sich, aus vielen Spalten dringen langgeformte, flache, an feinen

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