Romano Guardini Online Konkordanz
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über. Es sind die Umformungs- und Bruchstellen, aus denen sich die nächste Phase erhebt.
Bei allem scheinbaren Pessimismus ist das die Grundvorstellung, die alles beherrscht. Alle Einzelbegriffe sind von ihr bestimmt.
Beispiel: Wenn eine Kultur untergeht, dann bedeutet das, daß eine Phase zu Ende geht. Sie geht zu Ende, weil ihre Formkräfte sich erfüllt haben. Und die nächsten folgen müssen.
Das Zuendegehen selbst mit allem Negativen, was darin liegt, ist der notwendige Vorgang, ähnlich wie der, daß die Kindheit zu Ende gehen muß, damit der reife Mensch kommen kann.
So wird sie als eine „Krise“ verstanden. Das heißt, von vornherein ist die Vorstellung wirksam, daß es sich um etwas im Zusammenhang des Ganzen Notwendiges handelt. Der Blick geht über das Negative hinweg in das kommende Positive und versteht das Negative auf dieses hin. Stimmt das?
Die Vorstellung ist so elementar, so selbstverständlich, daß sie im Grunde überhaupt nicht diskutiert wird.
Die Erörterungen vollziehen sich innerhalb ihrer nicht mit Bezug auf sie selbst. Sie prägt die Art, wie gesehen, wie geurteilt, wie die Zusammenhänge verstanden werden.
Vielleicht bedeutet die Gegenwart die historische Stunde, in der diese Vorstellung – wie auch alles, wovon oben gesprochen wurde – erschüttert wird. Die Möglichkeit zu sehen, was wirklich ist – natürlich auf die Gefahr hin, darüber unsererseits unseren Irrtumsmöglichkeiten zu verfallen.
Sollte man nicht so sagen: Was bisher Krise genannt wurde, ist in Wahrheit etwas anderes, nämlich Gericht? Der Untergang der Antike war nicht das naturgemäße Auslaufen der Impulse, das Ausgeschöpftsein der Formen, gar das Verhülltsein der Aufgaben, sondern in ihr wurde offenbar, was verkehrt gewesen war.
Der Untergang der Antike: das Chaos des Hellenismus, die unendliche Zerstörung der Völkerwanderung, die Barbarei der

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