Romano Guardini Online Konkordanz
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selbst hinaus liegt. Der, welcher einen solchen Druck von Kindheit an hat, er ist gleich wie ein Kind, das mit der Zange aus dem Mutterleibe geholt wird, und das beständig eine Erinnerung an die Schmerzen der Mutter trägt."(Tagebücher *1, I, 180)
"So trat ich ins Leben hinaus, durch Geistesgaben und äußere Verhältnisse auf jede Weise begünstigt; es war und wurde alles getan, um meinen Geist so reich wie möglich zu entwickeln. So trat ich ins Leben hinaus: zuversichtlich (in einem gewissen Sinne - denn ich hatte dabei eine entschiedene Sympathie und Vorliebe für das Leiden und alles in irgendeiner Weise Unterdrückte und Leidende), ja mit einer fast dummdreist stolzen Haltung. Keinen Augenblick meines Lebens war ich von dem Glauben verlassen: Man kann, was man will - nur eines nicht, sonst unbedingt alles, das eine aber nicht: die Schwermut heben, in deren Bann ich war. Niemals (andere mögen das wohl für Einbildung halten, was für mich doch Wahrheit war und ebenso wahr wie das Nächstfolgende, was andere wieder für eine Einbildung halten werden) - niemals ist mir der Gedanke gekommen, daß zu meiner Zeit jemand lebte oder geboren würde, der mir überlegen wäre - und in meinem Innersten war ich mir selbst der Elendeste von allen. Niemals ist mir in den Sinn gekommen, daß ich nicht, auch wenn ich das Dummdreisteste unternähme, siegen würde - nur in einem nicht, sonst unbedingt in allem; aber in dem einen nicht: dieser Schwermut Herr zu werden, von deren Druck ich kaum einen Tag ganz frei gewesen bin. Indessen ist das doch so zu verstehen, daß ich frühzeitig in den Gedanken eingeweiht war, Siegen im Sinne der Unendlichkeit (also das einzig wirkliche Siegen) müsse im Sinne der Endlichkeit ein Leiden werden. So stimmte das wieder mit meinem innersten, schwermütigen Gedanken, daß ich eigentlich zu nichts tauge: zu nichts im Sinne
*1 Auswahl u. Übersetzung von Th. Haecker, Innsbruck 1923.

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