Romano Guardini Online Konkordanz
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Man hat noch eine andere Erklärung gegeben und gesagt, Weihnachten sei das Fest des Heilbringers - jenes Heilbringers, der unserem abendländischen Kulturkreis zugehöre, Christi. Jesus Christus sei einer aus der Reihe jener Helfergestalten, von denen der Mythos vieler Völker spreche. Gilgamesch war ein solcher im babylonischen Kulturkreis; jener Held, der, halb Stern-, halb Menschenwesen, den Kampf gegen die Finsternis führt. Im griechischen Bereich war es Herakles, der sich den Mächten des Chaos entgegenstellt und den Menschen Raum zum Leben und Arbeiten schafft. Im Norden war es Siegfried, der den Drachen, Symbol der feindlichen Mächte, überwindet; hinter ihm aber erscheint als größere Gestalt Baldur, der Sonnengott, den die Finsternis durch Högnis Pfeilschuß zu Fall bringt, der aber aus den Flammen seines Scheiterhaufens immer neu ersteht - und so sind noch manche zu nennen. Einer von diesen wäre Christus, der Heilbringer der großen Wende zwischen dem endenden alten und dem neu heraufkommenden Aion, wie ihn Hölderlin gezeichnet hat.
Oder er wäre ein Mensch gewesen wie alle anderen, hätte aber ein Geheimnis um sich gehabt, etwas nicht Sagbares, so daß der Gedanke des soter, des Retters, der die damalige, in ihren Tiefen erschütterte Welt bewegte, sich an ihn heften konnte. So wäre er ein Heilbringer eigener Art geworden, einer Zeit gemäß, die nicht mehr richtig mythisch und noch nicht in

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