Romano Guardini Online Konkordanz
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sich der stärkeren untergeordnet. Autorität ist aber ein wesentlich menschliches Phänomen.
Wenn ein entschlossener und körperlich starker Mann einen jüngeren, Schwächeren zwingt, einen Weg zu gehen, den dieser nicht gehen will, dann ist das offenbar auch kein Akt von Autorität, sondern physische Nötigung. Der Stärkere tut im Grunde das Gleiche, wie wenn er den Schwächeren eine Treppe hinunterstößt.
Damit von Autorität gesprochen werden könne, muß die innere Initiative des Menschen beteiligt sein, auf den sich der bindende Akt richtet.
Das Gleiche ergibt sich aber auch bei den vielfachen Formen psychischer Nötigung. Wenn zum Beispiel ein energischer Mensch einen willensschwachen durch Drohungen so einschüchtert, daß dieser tut, was er von sich aus nicht tun würde, dann ist seine innere Initiative zwar beteiligt, aber unter psychischem Zwang, und von Autorität kann wieder nicht die Rede sein. Ebensowenig bei den mannigfachen Formen der Verführung, deren Technik darin besteht, Affekte, Triebe im Anderen zu mobilisieren und durch unmerkliche Übergänge auf das Gewollte hin in Bewegung zu bringen. Entsprechendes wäre von jeder Form der Demagogie zu sagen, die eine ähnliche Technik anwendet: nämlich die Initiative der Hörenden nicht zu sich selbst kommen zu lassen, sondern sie zu einem passiven Reagieren zu bringen. Den klarsten Fall dieser Art von Bindung bildet die hypnotische Suggestion. Sie richtet sich wohl auf die innere Initiative, macht sie aber zu einem passiven Element in einem nötigenden psychischen Zusammenhang. Daher denn auch der Hypnotisierte nach seinem Erwachen das Getane als nicht zu ihm gehörig empfindet.
Von Autorität kann also nicht gesprochen werden, wenn die Bindung, die der Beeinflußte erfährt, seine Freiheit aufhebt. Im Gegenteil: soll eine Instanz Autorität sein, dann muß die von ihr ausgeübte Bindung sich auf die Freiheit als solche richten.

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