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Heiland fällt? Weil seine Aufgabe zu groß ist für seine Kraft. Und zwischen diesem Erliegen und Untergehen in der Flut von Leid und Kampf die einzig-kostbaren beiden Bilder: der Schleier der Veronika und die weinenden Frauen. Er erstickt schier im Kampf - und steht doch so sehr darüber; über sich, über Leid, über Leben, daß er die zarte Blüte der Teilnahme verstehen, würdigen, annehmen kann. Sieh, das scheint mir fast eine der göttlichsten Taten zu sein. Ein Mensch wäre dem Leben und Leid erlegen und stumpf oder wild an Veronika vorbeigegangen. Er meistert das Leid so sehr, daß er den Frieden, die zarte Empfindung frei hat für den lieblichen Dienst, der ihm doch nichts nützt. Und er, der schier erstickt im Schmerz, hat die Klarheit und Selbstlosigkeit des Geistes, die Klagen der Frauen (nicht wütend zum Schweigen zu bringen, sondern) mild und ruhig zu belehren. Sieh, ich meine, jene Gedanken könnten Dich lehren, so Leben, Denken und Empfinden zu meistern. Denn nicht das Leben ist das vollkommene, welches wild und vulkanisch strömt und tobt, sondern das, welches die eigene Kraft und Fülle gezähmt hat, sie frei und leicht besitzt. Ist nicht das Leben erst frei, welches über sich steht? Und weiter mein' ich, Du brauchest keine Angst zu haben, jene Gedanken könnten Deine Kraft abstumpfen. Sie können sie nur klären, friedigen, können sie Dir nur recht zu eigen geben. Sie zeigen Dir den Weg zum Wesen der anderen Menschen, der anderen Zeiten, sie geben Dir, der doch so leicht einsam wird, innere verstehende Gemeinschaft mit den Übrigen, die Du besonders als Priester und Seelsorger brauchst. Sie lehren Dich, Deine Eigenart und Bedeutung und Grenze im Ganzen erkennen, machen demütig, sehend und wahr. Und wenn Du dann so das Ganze siehst, Dich in ihm, - dann stellst Du Dich fest auf Deinen Platz, und ohne das Andersartige zu verletzen, ja, es verstehend und ehrend, tust Du das Deinige.* [Am Ende der Seite:] Staudenmaier: Pragmatismus der Geistesgaben.*73 Beschäftige Dich einmal, gerade auf Grund dieser Gedanken, mit der so wenig gewürdigten Idee des »Berufes«*74 (welche auch mit der Entscheidung für den Seelsorgerberuf noch nicht erledigt ist): Im großen 73 Der Pragmatismus der Geistesgaben oder das Wirken des göttlichen Geistes im Menschen und in der Menschheit, 1835. Vgl. Br. 2. 74 Vgl. Romano Guardini, Zum Begriff des Berufes, in: Akademische Bonifatius-Korrespondenz 35 (Paderborn 1919), 29-41 (M 34). 1920 sprach Guardini vor der »Mainzer Vereinigung akademisch gebildeter Katholiken« über »Der Begriff des Berufes«; Gerner II, 6. | ||
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