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Darum spricht uns reines Linnen so stark an. Wir fühlen, ihm antwortet etwas in unserem Innern. Wir empfinden eine Forderung, einen Vorwurf, eine Sehnsucht. Nur aus reinem Herzen kommt das rechte Opfer; das Linnen aber sagt uns manches über die rechte Reinheit. Fein und edel ist rechtes Linnen: gewalttätiges Wesen schafft noch keine Reinheit; mit mürrischem Gebaren hat sie nichts zu tun. Ihre Kraft ist Kraft der Feinheit; ihre Zucht adelig ... Echtes Linnen ist fest. Kein luftiges Spinnwebzeug, das vor jedem Wind zerflattert; so ist auch wahre Reinheit kein kränkliches Ding. Sie flieht nicht vor dem Leben, wandelt nicht schwärmend in unechten Träumen und verstiegenen Idealen. Sie hat die roten Wangen der Lebensfreude und den festen Griff tapferen Kampfes ... und noch etwas sagt das Linnen dem nachdenklichen Sinn: es war nicht gleich so fein und rein, wie es nun da liegt. Erst war es rauh und unscheinbar; mußte oft gewaschen und gebleicht werden, bis es seine duftende Frische gewann. Reinheit ist nicht von Anfang da. Gewiß ist sie Gnade; gewiß gibt es Menschen, die sie als Geschenk in ihrer Seele tragen, so daß ihr ganzes Sein die kraftvolle Frische innerster Wesenskeuschheit hat. Aber das sind Ausnahmen; was man sonst wohl Reinheit nennt, ist oft ein recht fragwürdiges | ||
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