Romano Guardini Online Konkordanz
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Der Heiland aber schaute ihm ins Herz und las seine Gedanken. Er sah, wie schwach und schwankend der gute Wille des Mannes war, sah, wie er Ihn, den Sohn Gottes gleichsam auf die Probe stellen wollte, und von dieser Probe seinen Glauben abhängig machte, und das tat dem Herzen des Herrn so wehe, daß Er in die Worte ausbrach: »Wenn ihr keine Zeichen und Wunder sehet, so glaubet ihr nicht.«

3.
Doch machen wir uns einmal recht klar, was diese Worte bedeuten.
Wie arm waren die Menschen auf Erden! So fern von Gott! Fast unüberwindlich stark in ihrem Herzen die Sünde. Ein hartes Gesetz lag auf ihnen, so schwer, daß sie es fast nicht erfüllen konnten.
Und nun kam der Heiland, das Herz voll unendlicher Liebe, ganz erfüllt von der Herrlichkeit des Reiches Gottes. Er sagte ihnen, wie es ist mit Gott, daß Er ihr Vater ist und sie liebt. Er sagte ihnen, wie es steht mit dem Leben hier auf Erden, wozu die Menschen da sind, wohin es einst geht, in die Ewigkeit. Er brachte ihnen die göttliche Kraft und Gnade, die ihnen helfen solle, gut zu werden. Ganz und gar widmete Er Sich ihnen. Hätte man da nicht meinen sollen, die Menschen wären jauchzend ihrem Erlöser entgegengezogen? So wie ein Volk, das in Knechtschaft lebt, mit Jubel dem Befreier entgegeneilt?
Aber wie kam es so ganz anders! Wohl machte der Herr tiefen Eindruck auf sie. Aber bei vielen war es bloß ein Staunen über Seine gewaltigen Wunder. Das Außergewöhnliche daran zog sie an, dem liefen sie nach. Sowie sie die Wunder sahen, jubelten und staunten sie und glaubten sie an Ihn. Doch der Glaube war nichts Rechtes. Er war bloß eine aufflackernde Erregung, eine rasche Begeisterung, eine Sensation. Was wirklich Glauben heißt, davon hatten sie keinen Begriff. Hätten sonst dieselben,

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