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nichts wissen; auch nicht die „des Entsetzlichen“, der gestaltlos furchtbaren Tiefe, von welcher die Dritte spricht; vielmehr jene, welche die Erste meint, wenn sie sagt: „das Schöne ist nichts/als des Schrecklichen Anfang, den wir noch gerade ertragen/und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht,/ uns zu zerstören“. Erschiene uns der Engel in der Ferne, oder verhüllt, dann würden wir ihn als schön empfinden; wenn er sich aber nur irgendwie öffnete und näherträte, dann würde er uns verderben. Er ist für uns ein Wesen der Grenze. Die Engel sind die „Vögel der Seele“. In dem Worte taucht zunächst das Bild der Flügel auf und besagt, daß der Engel einen größeren Daseinsraum hat und einer vollkommeneren Bewegung mächtig ist als wir; fähig, Höhen, Weiten und Tiefen zu durchmessen. Auch der alte Gedanke des Seelenvogels klingt an, in welchem sich die geheimnisvolle Flüchtigkeit des Geistes ausdrückt. Endlich aber verrät sich darin eine Absicht, die in der zweiten Strophe offen durchdringt: das Wesen des Engels von der Menschengestalt abzulösen und einen neuen erschütternden Ausdruck für es zu finden. Hier ist es die Gestalt eines riesigen Vogels; nachher werden solche aus der leblosen Welt erscheinen. Wenn es aber im zweiten Vers heißt, die Engel seien „fast tödlich“, so rufen die Worte die Vorstellung von mächtigen Vogelwesen wach, die durch den Seelenraum fliegen und, wenn sie innerlich den Menschen streifen, ihm den Tod bringen können ... Hier soll ein Gefühl der Verlegenheit über das Wort „fast“ nicht verschwiegen sein. Warum „fast“, wenn die letzten Verse der Strophe von der unausweichlichen Tödlichkeit der Annäherung auch nur um „einen Schritt“ sprechen? Ist es Pedanterie, wenn dieses Gefühl sich auch nach vielen Lesungen immer wieder einstellt? Wohin sind die Tage Tobiae, da der Strahlendsten einer stand an der einfachen Haustür, zur Reise ein wenig verkleidet und schon nicht mehr furchtbar; (Jüngling dem Jüngling, wie er neugierig hinaussah). 3–6 | ||
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