Seit einiger Zeit scheint abermals eine Veränderung vorsichzugehen. Die ihrer selbst gewisse Sicherheit des neuzeitlichen Weltbildes ist erschüttert. Der Mensch empfindet das Dahingestellte des Daseins, das Unvorhersehbare des Geschehens und das Unabsehliche seines eigenen Vermögens. Die Wirklichkeit wird elementar erfahren und verringert das Gewicht des bloßen Wissens und Erlebens. Der Entscheidungspunkt der Gottesfrage liegt nicht im Ideellen oder Gefühlsmäßigen, sondern darin, wie er sich bezeugt, und wie er im Leben des Glaubenden steht. Die Zukunft des christlichen Daseins scheint davon abzuhängen, wieweit es lernt, Gott in der so intensiv wirklichen Welt am Werke zu sehen; ihn als noch mächtiger und wirklicher zu empfinden als diese; die Welt wieder gleichsam Gott in die Hand zu geben und sich selbst aus Seinem Schaffen und Handeln heraus zu begreifen. Während in der Neuzeit, besonders in ihrem Ausgang, „Erkennen“ gleichbedeutend war mit „Denken“, scheint nun das Sehen, Hören, Greifen, Tun eine ganz neue Bedeutung zu bekommen. Die Erkenntnis drängt aus dem abgeleiteten Bereich der Begriffe wieder in jenen der ersten Erfahrung, der Sinne, die aber damit eine ganz andere Mächtigkeit bekommen. Der alte Satz „nichts ist im Intellekt, was nicht vorher in den Sinnen war“, enthüllt eine Bedeutung, die über das, was ihm Spiritualismus wie Positivismus zugetraut haben, weit hinausgeht. Die Sinne hören auf, das niedrige Werkzeug des Verstandes zu sein – was wiederum voraussetzte, daß man als Träger der Erkenntnis bloß den „Geist“, und den „Körper“ nur als dessen nun einmal nicht zu entbehrendes Substrat sah. Der Mensch rückt in den Mittelpunkt. Nicht „der Geist“, sondern „der Mensch“ erkennt. Was er erkennt, sind nicht Begriffe, sondern die Wirklichkeit; die Organe aber, mit denen er der Wirklichkeit begegnet, sind die Sinne. Die Sinne sind der Mensch, sofern er auf die Begegnung mit der Wirklichkeit angelegt ist; Einheit von Geist und Leib; und wenn man die alte Lehre von den „inneren“ und „geistlichen“ Sinnen hinzunimmt, erstrecken sich ihr Akt und Gegenstand
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