Romano Guardini Online Konkordanz
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der Welt genommen: der leblosen (siehe z. B. die Kegelform der frühesten Aphroditebilder); der tierischen (z. B. die Eule für Athene); einer menschlich-tierischen Mischwelt (z.B. der Sperberkopf des ägyptischen Totengottes); endlich der ganz-menschlichen Welt (so die Götterbilder der griechischen Hochreligion).
Im Kult wird diese Darstellung so erlebt, daß die betreffende mythische Mächtigkeit als in ihr gegenwärtig und als Numen erfahren wird, das »Dienst« - Anbetung, Lobpreis, Opfer empfängt.
Es hat den Anschein, als ob die Fähigkeit echter numinoser Naturerfahrung mit dem Werden der rational-wissenschaftlichen Haltung und technischen Beherrschung der Natur immer mehr verschwinde. Ob sich aber hier nicht ein Paradox einstellt: daß nämlich jene Kräfte, welche dieses Verschwinden bewirkt haben, nämlich Wissenschaft und Technik in ihrer einander wechselseitig bestimmenden Einheit, eine Mächtigkeit gewinnen, die ihrerseits zu einer Art Idol drängt?
Existentiell gesehen drückt sich im Natur-Idol ein Verhalten aus, in welchem der Mensch die betreffende Naturwirklichkeit nicht nur in der Ökonomie seines Lebens benützt, sie noëtisch erforscht und ästhetisch bewundert, sondern ihr religiös verfällt, das heißt, ihr »dient«. Dieses Verfallen, wie auch der Dienst, in welchem es sich ausdrückt, wird durch Wissenschaft und Technik aufgehoben. Der Mensch wird der Natur gegenüber frei, ja er erlangt über sie eine beständig wachsende Herrschaft. Dafür scheint er aber dem Vorgang des Beherrschens selbst zu verfallen, ebenso wie dem Inbegriff jener Mittel, mit denen diese Herrschaft gewonnen und vollzogen wird, das heißt, der exakten Wissenschaft und der auf ihr ruhenden Technik. Das Paradox ereignet sich, daß der Mensch eben dem dienstbar wird, womit er seine Herrschaft errungen hat und ausübt.

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