Romano Guardini Online Konkordanz
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nichts geben konnte, sondern weil eine solche Hingabe stets ein Sprung ins Leere sein muß?
Solches Gefühl des Wagens wird jeder einmal empfinden, und um so tiefer, je mehr er einzusetzen hat.
Trotzdem muß der Mensch begreifen, daß eben dies Wagnis die ganze Frage seines Lebens enthält. Ob er den Mut hat, sich einzusetzen, im Vertrauen auf ein schwer beweisbares, aber sicheres »Gesetz« alles geistigen Lebens, oder ob er dafür zu stolz, zu feige, zu träge ist - das entscheidet über den Wert seines Daseins. Und der Wille zum Hohen, die »Seele der Seele«, der Eros ist im Grunde nichts, als Glaube an jenes »Gesetz« und Mut, durch das Wagnis zur Erfüllung einzugehen.
Erst im lauteren Dienst am Werk und Gedanken wächst der Mensch zu wahrhaft freier Größe. Und aus der Hand des geliebten Menschen, dem er sich geschenkt und in Treue bewahrt, erhält er seine Seele zurück, nun erst wirklich sie selbst, frei von Selbstsucht und reicher entfaltet.
Das gleiche Gesetz führt den Menschen noch weiter. Sein Verlangen kommt innerhalb der zunächst gegebenen Welt nicht zur Ruhe. Auch das höchste Werk kann die ersehnte Vollendung des Schaffens nicht bringen. Es trägt stets die Schranke der Endlichkeit in sich und vermag ein letztes Ungenügen nicht auszufüllen. Auch die lauterste Hingabe an den besten Menschen wird jene Endgültigkeit der Liebe, in der allein Friede ist, nicht gewähren. Denn das ist die unbegreifliche Antinomie des Geistes, daß er bedingt ist und doch nach dem Unbedingten verlangen muß.
So schließt sich gleichsam alles Endliche zu einem großen »Ich« zusammen, dem das endgültige »Du« gegenüber tritt. Und von neuem ergeht das Gebot: »Willst du deine Seele finden, so mußt du sie hingeben.« Die ganze Natur an das, was über alle Natur ist, die ganze Kreatur an Gott.
Erschien dem Menschen wenigstens in Stunden der Besinnung oder Unsicherheit die Hingabe an Werk und Mensch als ein Wagnis. So noch viel mehr als Selbstverlieren an Gott. Daß der

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