Romano Guardini Online Konkordanz
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aus, wo sie wohnten, trug sie Es in den Tempel. Sie durchschritt das erste große Tor des Vorhofes, diesen selbst und trat an die innere Pforte. Dort stand ein Priester, nahm das Kind in seine Arme, sprach die vorgeschriebenen Gebete, empfing dann ihre Opfergabe und brachte sie dem Herrn dar. Sonst hat sich niemand gekümmert um die ärmlich gekleidete junge Frau aus dem Volk, die dort ihr Kind dem Gesetz unterzog, wie so viele andere tagaus, tagein.
Doch, da kam einer, ein Mann in ehrwürdigem weißem Haar, allen wohlbekannt, die im Tempel verkehrten: Simeon. Er war kein Gesetzesgelehrter, hatte keinen großen Einfluß nach oben hin, ein Mann, der nichts tat als beten und nachsinnen und den Leuten, wahrscheinlich den armen Leuten aus dem Volke, von der Hoffnung Israels sprechen. Aber er muß doch groß gewesen sein, groß vor Gott; denn die Heilige Schrift sagt uns, daß der Herr ihn vertrauter Zwiesprache würdigte und ihm die Verheißung gegeben hatte: »Du wirst nicht sterben, bevor du den Heiland geschaut hast.«
Er kam und nahm das Kind auf seine Arme. Die heilige Königsgabe des auserwählten Volkes, das Licht der Propheten strahlte auf in seinem Herzen und seinem Antlitz, er dankte Gott und weissagte erhabene Worte von dem Kind auf seinen Händen: »Dieses Kind ist gesetzt zum Falle und zur Aufrichtung für viele und als ein Zeichen, dem widersprochen werden wird!«
Und bald darauf kam auch noch eine Frau hinzu: Anna. Auch sie war eine schlichte Seele. Noch jung war sie Witwe geworden und hatte sich ganz dem Dienst des Herrn im Tempel geweiht. Und auch sie erlebte an diesem Tage die Krönung ihres langen, Gott geschenkten Lebens: Sie erkannte den Heiland in dem armen Kinde und pries den Herrn und sprach zu allen, die hören wollten, von Gottes Erbarmung.
3.
Ja, liebe Christen, so ist es mit dem ersten Eintritt des Heilandes in diese Welt gewesen. Die Großen und Vornehmen und

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