Romano Guardini Online Konkordanz
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mit den Menschengeschwistern, welche durch den Tod von uns getrennt und doch von der Gemeinschaft der gleichen Erlösung umschlossen sind. Soviel verstehen wir leicht. Wenn uns aber dieser Tag mit seiner Liturgie und seinen Gebräuchen mahnt, den Toten zu helfen, dann klingt das manchmal fremd. Was heißt das: Worin besteht ihre Not? In welchem Zustande befinden sie sich, und was kann da Hilfe bedeuten?
Das gläubige Volk – das Wort von jenen gemeint, die noch nicht durch die Unruhe des Verstandes und die Unrast des Willens von den Wurzeln losgelöst sind – weiß sich mit seinen Toten tief verbunden. Der Name, mit dem er sie benennt – »die armen Seelen« – drückt innige Nähe und liebende Sorge aus. Diese Sorge nimmt in seiner Frömmigkeit einen breiten Raum ein, und es wäre nicht gut, wenn sie verschwände; es würde etwas Ähnliches bedeuten, wie wenn der Bauer von der Scholle weg in die Stadt zieht ... Der Gebildete – das Wort soll nichts von Geringschätzung in sich haben; sie wäre ebenso fragwürdig wie die des Volkes, denn auch der Gebildete ist eine Wirklichkeit und, in gewissem Sinne, ein Schicksal – hat jene besondere Sorge für die Toten verloren, und so manche Anschauungen und Gebräuche befremden ihn. Das darf nicht mit der Feststellung abgetan werden, sein Glaube habe keine Kraft mehr. Das Sorgen und Beten und Opfern des Volkes für die Armen Seelen ist nicht einfachhin »Glaube« im christlichen Sinne; in ihm lebt die uralte Bindung des erdnahen Menschen an das Totenreich fort. Damit meinen wir nicht die Anhänglichkeit des Herzens an jene, die ihm teuer gewesen sind; nichts, was mit der Lebendigkeit des Gefühls oder der Treue des Charakters zusammenhinge, sondern die Verbundenheit des Menschen aus dem Hellen ins Dunkle, aus dem blutdurchströmten, fühlenden, irdischen Leben in den Bereich des Todes hinüber. Diese Verbundenheit zu haben, steht nicht beim Willen des einzelnen, sondern hängt davon ab, wieweit er noch in den ursprünglichen Ordnungen des Daseins lebt. Und

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