Romano Guardini Online Konkordanz
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Die gleiche Botschaft verkündet Jesus, wie die Jünger sagen, Er solle sie beten lehren, und Er ihnen das Gebet schlechthin, das Vaterunser, übergibt (Lk 11,1–4). Dessen Worte bringen die Lehre von der Vorsehung in lauterer Größe zum Ausdruck; und nicht nur durch ihre Gedanken, sondern auch durch die Innigkeit und Herzenszuversicht, welche das göttliche, so kurze und zugleich so unerschöpfbar tiefe Gebet erfüllt.
Die Lehre von der Vorsehung antwortet auf die Frage, wie der Mensch im Dasein stehe, woher ihm sein Schicksal komme, und wie er damit ins Einvernehmen gelangen könne. Um besser zu begreifen, was die Offenbarung sagt, wollen wir uns einige Antworten vor Augen bringen, denen man im geistigen Leben der Zeit begegnen kann.
Die eine stammt aus der Welt des Kindes.
Dieses lebt in der Familie; in dem kleinen lebensvollen Bezirk, worin es geboren und von der Sorge der Eltern umhütet ist. Wenn es mit dieser Familie richtig steht, dann gibt es in ihr eine trotz aller Schwierigkeiten im einzelnen unbezweifelte Autorität: die des Vaters und der Mutter. Diese bestimmen, was zu geschehen hat. Sie sorgen für die Bedürfnisse des Kindes. An sie wendet es sich mit seinen Anliegen und Nöten. Von ihnen wird es belehrt, was es tun soll, und zurechtgewiesen, wenn es fehlt. Nach dem Bilde dieses kleinen Daseins stellt es sich das große der Welt und der Menschen überhaupt vor. Auch da gibt es eine oberste Autorität, einen Vater von der Art, wie der zu Hause, nur sehr viel mächtiger, und das ist Gott. Er kennt alle Wesen, weiß um ihre Bedürfnisse und sorgt, daß sie haben, was sie brauchen. Er waltet auch über dem Kinde selbst. Er sieht, was es tut, hört seine Bitten und hilft ihm in allen seinen Nöten. Diese Vorstellung kann sich dann, im Maße der Mensch reifer wird, entwickeln. Sie wird geistiger, größer, reicher, behält aber immer den Charakter eines unmittelbaren optimistischen Vertrauens in die überall wirkende Weisheit und Güte des höchsten Wesens.

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