Romano Guardini Online Konkordanz
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ihrer Mitte und habe zu ihnen lebendige Beziehung. Geräte, Häuser, Straßen, Städte sind wie Persönlichkeiten. Familiengewohnheiten, Bräuche, Feste. Jedes steht, gestaltet in sich selbst.
Vergleiche ich damit, was nun unterdes heraufgekommen ist: Die Sprache der Zeitung und des Buches; die Bauart der Städte und die Namen ihrer Straßen; Haus und Hausrat; die Menschen, ja, auch die Menschen, in der ganzen Weise, wie sie miteinander sind bei feierlichen und fröhlichen und ernsten Gelegenheiten, wie sie sich kleiden und bewegen und sich grüßen - so sehe ich das leibhaftig Geformte, das Einmalige verschwinden. Alles wird unpersönlich. Eine eigentümliche Unwirklichkeit kommt über Menschen und Dinge.
Nun ich das alles schärfer ins Augen fasse, merke ich freilich, wie es bereits in der Wurzel alles Kulturschaffens liegt. Mein letzter Brief sprach ja davon, wie alle Kultur durch ein Opfer an unmittelbarer Lebendigkeit erkauft wird. So geht mir nun der Gedanke weiter: Alle Kultur wird erkauft durch ein Opfer an lebendiger Wirklichkeit.
Was ich Entfernung von individueller Lebendigkeit nannte, bedeutet auch, daß der Mensch ein Stück Natur nimmt, in ihm selbst und um ihn her, und damit aus der Sphäre nächster Wirklichkeit in eine andere geht. In dieser werden die Dinge nicht mehr unmittelbar gespürt, gesehen, gegriffen, geformt, genossen, sondern durch Vermittelungen hindurch, durch Zeichen, durch Stellvertretungen. Bei aller Kultur handelt es sich darum, aus dem vorübergehenden Einzelfall zum Bleibenden zu kommen; aus dem nicht wiederkehrenden Besonderen, neben dem ein anderes Besonderes steht, und daneben ein drittes und viertes, und so fort ins Unendliche, zum Umfassenden, Allgemeinen. Es handelt sich darum, sich nicht mit einer bestimmten einmaligen Notlage, oder Gefahr, oder Werkmöglichkeit auseinandersetzen zu müssen, und dann

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