Romano Guardini Online Konkordanz
Treffernummer:

 < Seite 14> 


und die Wege. Ich will wissen, was in all den tausend Gestalten und Ereignissen unserer Zeit vor sich geht. Ich fühle mich daran beteiligt, so tief, daß ich sehr erschrak, als es mir zum ersten Male ganz klar wurde. Ich muß wissen, was das ist. Du kennst die Sage von Oedipus, wie er von der Sphinx befragt war, und sein Leben hing daran, ob er die Antwort fand. Mir ist, als seien wir so befragt; ich ganz persönlich mit. Ich weiß noch nicht, wohin die Frage führen wird. Ich fange an und setze Schritt vor Schritt..
Kaum hatte ich italienisches Land betreten, da fühlte ich viel Bedeutungsvolles mich ansprechen; darunter aber etwas, das sehr traurig machte. Was Europa ist, trat mir entgegen; was Zugehörigkeit zu einem Volk, die des Blutes, aber auch die der Treue und des Geistes; was Menschheit und Welt ist - oft war mir, als seien diese Dinge wirklicher Boden, auf dem ich ging, eine wirkliche Luft, ein wirklicher Raum, zum Leben so notwendig wie der Raum draußen und die Luft, die ich atme, für den Körper. Das alles aber war groß und stark. Es war nicht jenes Traurige. Dies war: Ich fühlte, wie um mich her ein großes Sterben begonnen hatte..
Wie soll ich's Dir nur sagen? Sieh, was droben im Norden schon fast vollendet ist, sah ich hier anheben. Ich sah die Maschine in ein Land einbrechen, das bisher Kultur gehabt. Ich sah, wie der Tod über ein Leben von unendlicher Schönheit kam und fühlte: Das ist nicht nur ein äußerer Verlust, den man hinnehmen kann, und doch bleiben, was man ist; sondern es gibt ein Leben, und von höchstem Wert, das kann nur in dieser Welt bestehen, die bei uns längst versunken ist, und hier nun unterzugehen beginnt.
Als ich durch die Täler der Brianza fuhr, von Malland zum Comer See, üppig, von emsigem Fleiß gepflegt, umschlossen von herben Bergen, alle Formen kräftig und weit, da wollte ich meinen Augen nicht glauben. Überall durchwohntes Land.

 < Seite 14>