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Geheimnis. Schweigen meint nicht nur, daß kein Wort gesprochen oder kein Ton geäußert werde. Das allein bildet noch kein Schweigen; auch das Tier ist dazu im Stande, und noch besser der Stein. Schweigen ist vielmehr das, was geschieht, wenn der Mensch, nachdem er gesprochen hat, der wieder zu sich zurückkehrt und still wird. Oder wenn er, sprechen könnte, still bleibt. Schweigen kann nur, wer sprechen kann. Daß der, der sprechend »hinausgehen« würde, in der inneren Vorbehaltenheit bleibt - das erst bedeutet Schweigen: wissende, fühlende, lebendig in sich selber schwingende Stille. Beides gehört zusammen. Sinnvoll reden kann nur, wer auch schweigen kann, sonst faselt er; richtig schweigen kann nur, wer auch zu sprechen vermag, sonst ist er stumm. In beiden Geheimnissen lebt der Mensch; ihre Einheit drückt sein Wesen aus. Nun, des Schweigens mächtig zu sein, ist Tugend; über sie wollen wir nachdenken. Wer nicht zu schweigen versteht, tut mit seinem Leben das Gleiche, wie einer, der nur ausatmen wollte, nicht einatmen. Wir brauchen uns das nur vorzustellen, so wird uns schon Angst. Wer nie schweigt, dessen Menschlichkeit zerfährt. Redend - wir sagten es bereits - tritt das Innere des Menschen ins Offene. Was ich denke, fühle, beabsichtige, weiß zunächst nur ich; sobald ich es ins Wort gebe, wird es offenbar, steht im Raum zwischen mir, der es spricht, und dem, der hört. Dadurch gebe ich dem Hörenden Anteil an dem, was ich innerlich besitze. Manche Konflikte lösen sich dadurch, daß das Wort sie ins Offene bringt. Es gibt aber auch Erlebnisse, die nicht dahin gehören. Wenn einer etwas Großmütiges, oder Zartes getan hat, weiß er genau: Wenn er es ausspräche, würde es zerfallen. So verbirgt er es ins Schweigen und hat es dort mit sich selbst. Und wenn er sich einmal in einer dunklen Stunde fragen muß, ob das Leben lohne, dann meldet es sich und rechtfertigt ihm das Dasein. | ||
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