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ersten Jahren meiner Jugend zurückgegangen und habe dort, noch unbewußt, alle Kühnheit des Herzens, alle Verwegenheit der Großmut für Andere wiedergefunden. Niemals habe ich mich in meiner Umgebung, in den Helden meiner Lektüre an Fähigkeit der Hingabe und des Opfers übertroffen gefühlt. Immer habe ich darüber hinaus geträumt, immer habe ich mehr verlangt" (Deutsche Ausgabe, S. 2). Es ist aber - auch das soll schon zu Beginn dieser Zeichnung hinzugefügt werden - die Fülle und Kraft eines Herzens, das dem Geiste nahe ist; das in den Geist drängt und ihn in sich aufzunehmen strebt. Hier zeigt sich eine Wesensart, die etwas vom Besten südlichen Menschentums - aber man muß wohl sagen: des Menschenwesens überhaupt bedeutet: daß Geist und Herz nicht auseinandergehen oder sich widerstreben, sondern einander durchdringen. Glut und Klarheit zugleich; Tiefe, Innigkeit, Ahnungskraft, die aber mit der Deutlichkeit des Gedankens und der Genauigkeit der Form verbunden sind; Zartheit der Empfindung und der menschlichen Gebärde, doch mit ihr auch freudige Kraft des Handelns und hingabefähige Großmut *2. Und noch etwas gehört hierher: Den tiefsten Ausdruck für dieses Menschenwesen bildet die Tatsache, daß es schön ist. In Madeleine ist die Schönheit nicht nur äußere Wohlgestalt, sondern eine Eigenschaft, die das ganze Dasein durchdringt; eine leuchtende und zarte Gesundheit des Seins; eine innere Strahlungskraft. Wir fühlen wohl das Sieghafte dieser Wesensart - zugleich aber auch ihre Grenzen. Madeleines Möglichkeiten liegen zwischen dem Idealismus und der Skepsis; zwischen dem großen Glück und der Zerstörung; zwischen der vollkommenen Hingabe und der Revolte. Nicht ihre Sache sind die Verstricktheiten des Daseins. Sie kann untergehen, nicht aber in der Komplikation *2 An zwei Beispielen habe ich zu zeigen versucht, wie diese Geistesart ins Große wächst und eine geistige Tradition bildet: an Augustinus und an Pascal; siehe die beiden Bücher: Die Bekehrung des Aurelius Augustinus, München 1959 [Mainz/Paderborn 1989] und Christliches Bewußtsein, München 1956 [Mainz/Paderborn 1991]. | ||
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