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zu [*600]. Das hat sich nun aber zerschlagen, und ich bin auf eine andere Stellung im Lazarett*601 gekommen, die mir kaum Zeit zu eigener Tätigkeit läßt. Der Dienst ist dort sehr anspruchsvoll. Die letzten Zeiten sind schlimme und unerfreuliche. Der Bruder meines Vaters, der eine Schwester von Mutter zur Frau hatte, ist plötzlich gestorben. Er ist auch Teilhaber des Geschäfts. Das ist ein schwerer Schlag. Auch sonst ist manches nicht schön gewesen. Ich bin in den letzten Wochen innerlich und äußerlich recht über[dreht?] Vor allem drückt mich, daß ich mit meiner wissenschaftlichen Arbeit gar nicht vorankomme. Alles muß liegenbleiben, und dabei werde ich nun schon bald 33 Jahre alt. Ich habe ja einige Hoffnung, daß ich Frühjahr herauskomme, aber bis dahin ist es doch lang, und wer weiß, was alles passiert in der Zwischenzeit. Aber das ist nicht recht, daß ich dir so vorklage. Nimm es nur als Entschuldigung dafür, daß ich so schlecht schreibe. Habe selbst schon viel Gewissensbiße gehabt. Du darfst nicht denken, daß irgend etwas anderes daran schuld ist. Ich freue mich aber sehr, daß Du jetzt so schön in Ordnung bist. Kann mir recht denken, wie zufrieden ihr sein müßt, nun ihr Friede [habt?] und eine schöne Tätigkeit vor euch. Der liebe Gott hat es doch gut mit euch gemeint. - Karl erzählte mir auch von Deinem liter. Plan. Ich möchte Dir zunächst einmal 3 gesteigerte Vorschläge machen. Vor allem meine ich, Du sollest Dich einmal an Goethe machen, und die Frage untersuchen, wie er zur Religion überhaupt, und so zum Christentum stand. Ich glaube nicht, daß wir darüber etwas haben, das von Verständnis für G. und für das Christentum zugleich geprägt wäre. Als Literatur nenne ich: Gundolf*602 (hast Du); G. Simmel, Goethe 4.- (besorgt Dir Wilckens, Mainz, Schillerplatz); dslb: Kant u. Goethe, 1.20 (Wolf Leipzig).*603 Und dann wird es wohl gut sein, wenn Du Dir auch Baumgarten-Stockmann's Goethe, Herder, ep anschaffst.*604 Das nur zur Orientierg. Dann vor allem G. selbst, und zwar so: Gespräche (von denen die meisten im »Insel Verlag« erschienen sind. Verlagsverzeichnis schickt Wilckens.) Briefwechsel (ebendort, bzw. Diederichs) Tagebücher (Ital u. Schweizerreise, Campagne i. Frankreich; Annalen ... Manches 600 Durch Lochung unleserlich. 601 Als Militärkrankenwärter in das Festungslazarett Mainz. 602 Friedrich Gundolf, Goethe, 1916. 603 Georg Simmel, Goethe, 1913; ders., Kant und Goethe, 1906. 604 Richtig: Alexander Baumgartner, Goethe. Sein Leben und seine Werke, besorgt von Alois Stockmann, 2 Bde., Freiburg (Herder) 1911 u.ö. | ||
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