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Beide Gebote haben den gleichen Sinn. Das erste richtet einen unübersteiglichen Wall gegen die Religionsübung der umgebenden mythischen Kulturen, gegen das Idol in allen seinen Formen auf. Das zweite aber schützt den heiligen Namen vor dem Versuch, durch ihn auf Gott selbst Hand zu legen. Denn für das alte Bewußtsein war der Name das Benannte selbst; so hielt man den, der ihn kannte, für fähig, durch ihn Macht über das Benannte auszuüben. Gott sollte also den Glaubenden als der schlechthin Enthobene, der unantastbare Herr ins Herz geprägt werden. Die Mahnung war um so dringlicher, als das ganze alttestamentliche Bewußtsein durch die Gegenwart des Gottes bestimmt wurde, der mit dem Volk durch die Wüste gezogen war und im Tempel Wohnung genommen hatte. Sie sollte von jeder Verunreinigung durch Mythos und Magie freigehalten werden. Was aber das Neue Testament angeht, so fehlt in ihm die Mahnung nicht, Gott könne in kein Bild gefaßt werden. Seine Welt ist ganz von der christlichen Urtatsache beherrscht, daß der ewige Sohn Mensch geworden ist; so muß man die Mahnung an seine Enthobenheit an verborgeneren Stellen suchen. Etwa in den schönen Worten des ersten Timotheusbriefes, welche vom „seligen, alleinigen Gebieter“ reden, „dem König der Könige, dem Herrn der Herrschenden, der allein Unsterblichkeit hat; der da wohnt in einem Licht, zu dem niemand Zugang hat, und den kein Mensch [von sich aus] gesehen hat noch sehen kann“ (6,15–16). Oder im Epheserbrief, wo Paulus sagt, daß „die Liebe Christi alle Vernunft übersteigt“ (3,19). Im Lauf der Geschichte erhebt sich dann die Warnung vor den Gefahren der Bildlichkeit immer wieder. Im ausgehenden christlichen Altertum bricht ein heftiger Kampf gegen die religiösen Bilder aus, verbindet sich mit politischen Absichten und führt zu ausgedehnten Zerstörungen religiöser Kunstwerke, wie auch zu heftigen Verfolgungen solcher, die die Bilder verteidigen ... In der Reformation, besonders im Umkreis des Calvinismus, kehrt der bilderfeindliche Affekt wieder, vernichtet kostbare | ||
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