Romano Guardini Online Konkordanz
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an sie gebunden ist, wecken sie Widerwillen und Empörung.
So verschwinden die christlichen Gedanken weithin aus dem Leben. Viele Menschen kommen gar nicht mehr in die Lage, Worte wie Gnade, Sünde, Erlösung, Gebet, Sakrament auszusprechen. Werden diese doch aus irgendeinem Grunde laut, dann verursachen sie unter den Anwesenden eine eigentümliche Verlegenheit, und es gehört zur guten Erziehung, sie möglichst rasch wegzuwischen.
Ein Drittes steht zu den beiden genannten Vorgängen in einer vielfachen, hier nicht weiter zu verfolgenden Beziehung, das ist die Säkularisation der Offenbarungsinhalte. Sie soll uns hier beschäftigen.
Die Wahrheiten der Offenbarung haben einen doppelten Charakter. In ihnen tut sich der Gott kund, der allem Weltdasein gegenüber souverän ist. Daher können sie nicht aus der Welt abgeleitet, sondern nur aus Seinem Sprechen und Handeln entgegengenommen werden. Dieser Charakter ist ihnen wesentlich; so bleibt er ihnen auch zu jeder Zeit und in jeder Phase der intellektuellen, ethischen, religiösen Entwicklung. Nie kann die heilige Botschaft von einer Epoche der Geschichte oder durch die geistige Arbeit eines Einzelnen so angeeignet werden wie die Erkenntnisse eines Wissenschaftlers oder die Gedanken eines Philosophen. Sie bleibt immer Geheimnis und muß geglaubt werden.
Die gleiche Botschaft hat aber noch einen anderen Charakter. Der sich kundtuende Gott ist der nämliche, der auch die Welt geschaffen hat. Die Wahrheit, welche sein Wort verkündet, und jene, die im Sein der Welt selbst liegt, sind beide Wahrheit; Seine Wahrheit. Wohl ist das Dasein durch die Sünde des Menschen in Widerspruch zu Gott geraten und deswegen auch in Widerspruch zu sich selbst; trotzdem bleiben Welt und Mensch Gottes Werk. Die Verstörung hebt ihre Wesenswahrheit nicht auf; sonst würden sie ins Nichts sinken. Ein Mensch und eine Welt, die nicht nur „sündig“, sondern einfachhin „Sünde“ würden; die nicht nur in Auflehnung gegen Gott stünden, sondern

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