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Die Frage geht aber tiefer: Was heißt denn erziehen? Nicht, daß ein toter Stoff geformt werde, wie der Stein durch den Bildhauer. Es bedeutet vielmehr, daß ich diesem Menschen Mut zu sich selber gebe. Daß ich ihm seine Aufgaben zeige, seinen Weg deute, nicht die meinen. Daß ich ihm helfe zu seiner eigenen Freiheit. Ich habe also ein lebendiges Geschehen in Gang zu bringen. Wodurch? Wohl auch durch Sagen, Mahnen, Aneifern, durch "Methoden" aller Art. Das ist aber noch nicht das Eigentliche. Leben wird nur durch Leben entzündet. Die stärkste erziehende Macht ist, daß ich selber voran verlange und mich mühe. Es ist gesagt worden, Pädagogen seien meist Menschen, die mit sich selber nicht fertig werden, und sich darum auf andere werfen. Daß die sichersten Urteile und die entschiedensten Forderungen oft von innerlich ratlosen Menschen kommen, ist jedenfalls gewiß. Hier liegt der entscheidende Punkt. Daß ich um mein eigenes Besserwerden ringe, das macht meine pädagogische Bemühung um den anderen glaubwürdig. - Als gläubige Menschen endlich sagen wir: Erziehen heißt helfen, daß der andere seinen Weg zu Gott finde. Nicht nur, daß er auf Erden tüchtig werde, sondern daß dieses Kind Gottes zum "Vollalter Christi" heranwachse. Der Mensch ist dem Menschen Weg zu Gott. Damit er dies aber könne, muß er selbst den Weg gehen. Es hat keinen Sinn, einem Menschen über den Weg zu Gott zu reden, wenn man ihn selber nicht hat, wenigstens ihn nicht sucht. Das sei ein Wort zum Anfang unserer Tagung: Wir dürfen nie zufrieden werden mit uns selbst und glauben, wir seien schon geformt. Immer muß die heilige Unzufriedenheit wach bleiben. Wir sind unfertige, skizzenhafte Gestalten. In dem Maß erst sind wir glaubwürdig, als wir wissen: Ich stehe mit dem zu Erziehenden unter der gleichen Kritik. Wir beide wollen erst werden, was wir sein sollen. | ||
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