Romano Guardini Online Konkordanz
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Fragen nach der Wahrheit angefaßt werden müssen, um zu einem guten Ergebnis zu führen.
Vor allem müssen wir eines tun: das Problemgewebe, um das es sich hier handelt, auf eine einfache Form bringen. Damit ist schon viel erreicht, denn – wir werden noch davon zu sprechen haben – sehr viel der Schwierigkeit von Fragen dieser Art geht aus der Verworrenheit, aus der Verflechtung der Gesichtspunkte, aus dem Ineinander von Gedanken und Gefühlen, Begriffen und inneren Beunruhigungen hervor. Drücken wir also das, worum es sich im Grunde hier handelt, durch folgende Frage aus: Wie kann es wirkliche menschliche Freiheit geben, wenn Gott allwissend und allmächtig ist?
Wir könnten nun die Frage in sich erörtern. Also etwa untersuchen, wie sich im Handeln des Menschen der Wille Gottes und sein eigener Wille zu einander verhalten; welchen Anteil jener und dieser an der Tat haben; wie sich, wenn man so sagen darf, die Verantwortung verteilt usw. Die Arbeit wäre sehr schwierig, und wenn auch manches Gute dabei herauskommen würde, hätte das Endergebnis doch nichts Ermutigendes. Sollte aber der Eindruck entstehen, es sei wirklich eine Lösung gefunden worden, und der Verstand sich befriedigt fühlen, dann wäre aller Anlaß zum Mißtrauen. In Wahrheit hat sich etwas verschoben. Entweder ist der menschliche Wille zurückgedrängt worden, und die Antwort läuft auf eine bloße Allwirksamkeit Gottes hinaus, welche die menschliche Freiheit aufhebt – oder diese bekommt ihr Recht; jedoch dadurch, daß ein freier Raum um sie ausgespart, der göttliche Wille eingeschränkt, das heißt aber, die Göttlichkeit dieses Willens aufgehoben wird. Wenn aber eine »Lösung« auftaucht, die wirklich alles zu berücksichtigen scheint, dann ist sie von der Art wie in dem bekannten Satz, Gott wirke nicht das Böse, sondern lasse es nur zu. Bei genauerer Prüfung merkt man, daß sie im Grunde überhaupt nichts sagt, sondern nur das Gefühl beruhigt. Die Frage selbst steht nach wie vor da und wartet auf Antwort.

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