Romano Guardini Online Konkordanz
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Doch nein, so einfach liegt die Sache nicht. Auch jene erste Erkenntnisweise bedeutet einen Besitz und macht den Wissenden fähig, mit starkem Griff die Dinge zu erfassen. Ich bin heute den ganzen Nachmittag auf der Halbinsel herumgelaufen, die zwischen dem See-Arm von Como und dem von Lecco liegt. Die Ereignisse in Manzonis "Verlobten" tragen sich hier am See zu; daher sind manche Namen der Gegend wohl vertraut. Wie ist dieses Land vom Menschen ergriffen! Die Wege folgen den Hügeln, eilen, schmiegen sich, durchspüren sie, laufende Bahnen ihrer plastischen Bewegung. Die Gärten steigen hinauf und hinab, nisten sich in die Falten, breiten sich auf den Hängen; ihre Gesträuche und Bäume - oft erlesene Geschöpfe - gehorchen den Winken von Boden und Licht, und bringen sie in feinformigen, duftenden Gebilden zur Gestalt. Alle Biegungen des Geländes, alle Herblicke des Sees sind genutzt; und irgendwo, recht im Herzen dieser lebendigen Bereiche, sitzt die Villa, und sind die Menschen darin offenen Auges und Herzens, und kein hergelaufenes Geldvolk, dem ein Motorrad bedeutsamer dünkt als ein edles Stück Menschendasein, so können sie mit lebendigem Gefühl all das schwellende, steigende, wachsende und blühende Gewirk durchpulsen. Wie ist hier Natur besessen! Wie ist sie gesehen und verstanden! Wie gehorcht sie der unbewußt wissenden Hand! Wie wachsen die Bäume zu edelster Gestalt, ohne künstliche Mittel. Wie folgt das Land dem formenden Willen, der befiehlt, daß es - oft weiter, weiter Bereich! - Wohnung werde, lebendig schwingender, antwortender Menschenraum. Aber es ist eine sanfte Herrschaft. Unwiderstehlich stark, denn sie läuft durch die erfühlten Nerven der Natur, aber mild. Ich möchte fast sagen, so, wie die Seele Stoffe und Kräfte zum Leibe baut und regiert.
Das andere Wissen und seine Herrschaft sind tief verschieden. Es erwacht bereits in der Renaissance, aber zur Wirkung

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