Romano Guardini Online Konkordanz
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Umständen heran. Da entsteht die Gefahr, daß jene an sich flüchtigen Stimmungsausdrücke etwas Erstarrtes, Übertriebenes bekommen; daß ferner jene ganz speziell eingestellten Gedanken und Anknüpfungen auf eine andere äußere und innere Situation treffen und daher wirkungslos bleiben; und endlich, daß die enge Herzensfühlung, die im Gespräch das schöne Bewußtsein der Gemeinschaft erzeugt, hier, wo kein lebendiges Gesicht und keine modulierende Stimme sie trägt, als eine ungerechtfertigte Annäherung empfunden wird. Mir scheint der Brief dieser Gefahr nicht ganz entgangen zu sein. Ich habe deshalb immer die allzu individuellen Züge abgeschwächt und glaube, daß es gut wäre, wenn Du das Ganze noch einmal in der Abschrift daraufhin durchsähest.
Dann schien mir, als ob der Gedankengang manchmal etwas unklar und sprunghaft wäre. Das kommt vielleicht aus der gleichen Ursache. Das Gespräch ist vom konkreten Menschen und der Stimmung des Augenblicks getragen, und das macht vieles einheitlich und verständlich, was auf dem schweigenden Papier und mit gleichmütigerer Stimmung gelesen, das nicht ist. Z.B. deshalb habe ich vorgeschlagen, den Passus über die Erbsünde zu streichen.
Sehr gut finde ich, daß Du den Vorsehungsglauben dem Verstand gegenüber selbständig machst und als Tat schilderst. Gut auch, daß Du durch die Erzählung am Anfang dem Leser das Gefühl nimmst: »Der hat gut reden.« Die Sprache gefällt mir gut; manche Sätze sind etwas lang, und manchmal ist sie zu süddeutsch. Vielleicht achtest Du noch einmal darauf (z.B. Faktorei; ins Bett liegen.) Die Abschrift wird ja ein wenig wie der Druck wirken und Dir das Ganze als etwas Neues erscheinen lassen. - Diesen Brief betrachtest Du bitte auch als an D. M. gerichtet, und schickst ihn ihr, nicht wahr? So kann ich mich mit einem Bericht begnügen. Die Zeit ist mir augenblicklich ein bischen knapp.
Meine Stelle hier ist sehr angenehm.*461 Der Pfarrer hat für meine augenblickliche Lage Verständnis und läßt mir sehr viel Freiheit. Ich bin meist zu Hause. Der Dienst ist nicht schwer. Alle 14 Tage 2mal predigen, täglich 1-2 Stunden Schule, mehrere Andachten in der Woche. Casualien*462 nicht gar viel. Das Fräulein im Hause hat den Vorzug, aus einem Stadtpfarrhaus zu kommen (Darmstadt) und selber, wie es scheint, ein gebildetes, jedenfalls, sehr zurückhaltendes Menschenkind zu sein. Die Verpflegung ist wirklich sehr gut und alles sauber. Also kannst Du in dem Punkt mich für gut aufgehoben halten.

461 Pfarrei St. Ignatius, Mainz.
462 Fallweise Sakramentenspendung: Taufe, Eheschließung; außerdem: Versehgänge, Beerdigungen.

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