Romano Guardini Online Konkordanz
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Schritt weitergewachsen, da stehen sie wieder vor uns und fordern die Auseinandersetzung. Aber das ist schön. Der Weg ins Geheimnis hinein kann gar nicht anders sein als so; der Weg eines Lebenden ins Geistige. Nur ein mechanisches Problem läßt sich glatt lösen. Aber es gibt doch eine Endgültigkeit in dieser Arbeit um die Lösung. Laß mich versuchen, ob ich es fassen kann. Nicht die Endgültigkeit, die da sagt: »so ists und das ist das Ganze«, sondern die, daß jede neue Einsicht den Stempel einer organischen Eingehörigkeit in die unendliche Ganzheit an sich trägt; daß jedes Stück sagt: »aus unendlicher Harmonie komm ich und dahin führ ich dich«; daß jeder neue Akkord, den die Hände jeder neuen Stunde aus den Saiten der ewigen Probleme herausgreifen, vom gleichen inneren Ton beherrscht ist - - - eine Endgültigkeit im Unendlichstrebenden... Lieber, ist das nicht etwas, das auch Dir teuer ist? Weißt Du, in diesen Sätzen liegt eine Umformung meiner alten Gedanken. Früher wollt' ich in einem gleichsam von außen her umklammernden und alles durchgreifenden System alles fassen. Der Gedanke ist noch nicht vorbei, aber sein Antrieb ließ nach, und das ist gut. Es hätte dabei irgend etwas zu Grunde gehen müssen: die schöne unendliche, lebendige Mannigfaltigkeit oder mein Wille zur Universalität des Gedankens. Das System hätte jene getötet, oder die Resignation hätte den Willen zur Skepsis gemacht. Jetzt hat sich das ganze transponiert. Der Wille zur Endgültigkeit, zum System ist geblieben, aber es ist eine innere Endgültigkeit geworden, die die äußere, stets vor ihr, um sie liegende Unendliche Fülle des Nichtbegriffenen geradezu fordert. Verstehst Du, was ich meine? Und das Beglückende dieser Stellung? Jetzt kann sich Ruhe mit stetem Streben, Bescheidenheit mit grenzenlosem Optimismus verbinden. Ich beschreibe Dir hiermit nur eine innere Gestimmtheit meines Denkens. Die theoretischen Formulierungen hab ich selbst noch nicht. Allein mir scheint, es ist die letzte Konsequenz aus der Gegensatzlehre selbst: die Gegensatzlehre faßt sich selbst wiederum als nur die eine Seite des Alles auf: die andere ist das Leben, die Wirklichkeit selbst, die immer aufs neue die Lehre, die Theorie überschreitet, und sie vor ein neues Faktum stellt. Aber hier wiederum bin ich mit Herzensüberzeugung Optimist: Es ist das keine Feindschaft zwischen Theorie und Wirklichkeit, sondern eine tief innere Gegensätzlichkeit, aus der das Leben des Geistes stammt, und das sein letztes Urbild im Vater und seiner Weisheit, dem Sohne hat. So muß zwischen beiden auch der Geist der Liebe sein, in dem aus dem Gedanken die Wirklichkeit Klarheit erhält, und aus der Wirklichkeit der Gedanke Unendlichkeit. - Ich hab mich verspekuliert, gelt? Aber Dir kann ich ja all meinen Kram bringen; Du wirst ihn schon sichten. Soll ich Dir ein Bild sagen, wie ich mirs denke? Früher meinte

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