Romano Guardini Online Konkordanz
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»Weltkind«, das Christus und der Kirche so fremd gegenüberstand. Das Gemeinsame aber bildete ein Etwas, ein Ton, eine Haltung, die im Wesen Beider liegt.
Dazu gehört vor allem die Weise, wie sie in die Welt schauen, nämlich mit einem ganz offenen Blick, der eigentlich nie etwas »will« - daß dieses Ding so sei, jenes anders, das dritte überhaupt nicht. Dieser Blick tut keinem Ding Gewalt an. Denn es gibt ja schon eine Gewalttätigkeit in der Weise des Sehens; eine Art, die Dinge ins Auge zu fassen, die auswählt, wegläßt, unterstreicht und abschwächt. Dadurch wird dem wachsenden Baum, dem Menschen, wie er seines Weges daherkommt, den aus sich hervorgehenden Geschehnissen des Daseins vorgeschrieben, wie sie sein sollen, damit der Blickende seinen Willen in ihnen bestätigt finde. Der Blick, den ich hier meine, hat die Ehrfurcht, die Dinge sein zu lassen, was sie in sich sind.
Ja, er scheint eine schöpferische Klarheit zu haben, in welcher sie richtig werden können, was sie in ihrem Wesen sind; mit einer ihnen sonst nicht beschiedenen Deutlichkeit und Fülle. Er ermutigt alles zu sich selbst.
Es ist der Kinderblick, aber im Auge des Gereiften. Er hat ein gelassenes Zutrauen in das Sein, Ehrfurcht vor dessen Würde und eine Weite, die allem Raum gibt. Sobald der Mensch eine hinreichende Strecke des Lebens durchmessen hat, wird dieser Blick zur Weisheit. Denn wie er die Dinge sieht, sieht er auch, und immer klarer, ihre Bedingungen, Grenzen und Stufen. Er sieht, was groß ist und was klein, unterscheidet das Edle und das Niedrige, und versteht, wie Leben und Tod einander durchflechten.
Dieser Geist vermengt die Dinge nicht. Es gibt eine Haltung, die keine Unterschiede, keine Abstände, keine Gegensätze erträgt. Sie will Einheit, aber gleich und rasch. Eine Einheit, in welcher die Unterschiede als bloßes Mehr oder Weniger aufgehen. Die Gegensätze werden rasch zusammengebogen;

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