Romano Guardini Online Konkordanz
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des allgemeinen Erkennens und Handelns und der subjektive des persönlichen Werdens laufen wohl auf verschiedenen Ebenen, sind aber jeweils aufeinander hingeordnet, tragen sich wechselseitig, ja sind im Tiefsten identisch: die eine Geschichte.
So die Ansicht, die weithin unsere Zeit beherrscht. Ihr gegenüber rührt sich aber der Zweifel, ob sie richtig sei. Der Mythos hat anders gedacht; die Weisheit des Altertums wie des Mittelalters ebenfalls, und eine Unruhe in der Tiefe unseres Bewußtseins macht den Zweifel je länger desto dringlicher.
2. So erinnere ich mich der Bestätigung, die ich erschrocken empfand, als ich die vorsichtig geäußerte Meinung eines unserer führenden Physiker las, es sei nicht sicher, daß die Sinnlinie der Wissenschaft mit jener der menschlichen Wohlfahrt gleichlaufe. Denn wirklich: Was könnte wohl einen solchen Gleichlauf garantieren? Wo sollte das Zentrum liegen, das die beiden Wege des Daseins aufeinander abstimmte?
Mitten im Hochgefühl über die letzten, ungeheuren Leistungen von Wissenschaft und Technik, welche die atomaren Energien erobert haben, erwacht die Frage, ob diese Energien - wie überhaupt die gewonnenen Naturenergien - denn auch geordnet, das heißt, in das Leben des Menschen einbezogen, für dessen Wachstum und Entfaltung fruchtbar gemacht werden können? Wenn das aber möglich sein soll, dann wie? Die bejahende Antwort könnte nur lauten: Durch den gleichen Menschen, der sie freigemacht hat, indem er ihre Aktuierung unter den Sinn seines Daseins, unter den Maßstab des Vernünftigen, Rechten und Geziemenden stellt.
Das klänge zunächst überzeugend; sofort würde sich aber die Frage neu und noch bedrängender erheben: Ist denn der Mensch selbst geordnet? Besitzt er jene existentielle »Gerechtigkeit« - das Wort im großen platonischen Sinn genommen -, die ihn fähig machte, jedem Seienden so zu begegnen,

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