Romano Guardini Online Konkordanz
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Das wirft aus allem Gewohnten heraus. Danach wäre alles Christliche gebunden an die Person Christi. Danach gäbe es keine echte Aussage über Christliches, die ihn nicht mitenthielte, auch wenn nicht ausdrücklich von ihm die Rede wäre. Danach gäbe es kein Tun, das den echten Anspruch machen dürfte, christlich zu sein, und nicht diese Person in sich trüge, auch wenn es nicht besonders auf sie gerichtet wäre. So ist es denn auch tatsächlich gemeint.
Nun ist aber christliches Dasein und Handeln doch ein Dasein und Handeln in der ganzen Welt. Es enthält also den ganzen menschlichen, geschichtlichen, den ganzen Weltstoff. Ist denn jene personale Einmaligkeit so, daß sie, wie es eine "Kategorie" doch muß, diesen Seins- und Geschehensstoff in sich aufnehmen kann? Ist diese Einmaligkeit zugleich fassungsfähig für all diese Möglichkeiten?
Umgekehrt: Das christlich Bedeutsame ist die Bedeutungsfülle Gottes; die Wertfülle der Gotteswirklichkeit, die sich uns zuwendet. Ist die auch wirklich in dieser geschichtlichen Gestalt enthalten? Kann sie durch diese hindurch zu uns gelangen? Wird sich nie die Schwierigkeit ergeben, die anfangs unentbehrliche Vermittlung beiseite zu schieben und unmittelbar zu Gott zu gehen? Ist es vollziehbar, daß Gott Mensch wird? Daß er in diese Gestalt eingeht und aus ihr zu uns spricht, so, daß "wer sie sieht, den Vater sieht"?
Und ich selbst - habe ich Raum darin? Mit dem, was ich bin, samt allem, was mein ist, an Ding- und Menschenwelt? Und nicht nur "Raum"; es soll ja noch mehr geschehen. Christ werden bedeutet doch personale Existenz. Mehr als "personal", gewiß, wenn wir das Wort im Sinne natürlicher Personalität verstehen. Aber dieses "Mehr" meint jedenfalls keine Zerstörung der Person, sondern ihre Erlösung und Erhebung zu etwas Höherem. Kann das hier sein? Ist das denkbar bei einem solchen Eingehen in eine solche objektiv dastehende Person? Und wohlgemerkt: Nicht etwa in die Kategorie der "Persönlichkeit", so, wie es der deutsche Idealismus als Inbegriff menschlicher Bildung aufstellte, sondern in diese bestimmte, benannte

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