Romano Guardini Online Konkordanz
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Idealität des Glaubens zu verlegen und damit der Entscheidung vor dem Ärgernis aus dem Weg zu gehen. Ein solcherweise »eschatologisierter« Botschaftsinhalt ist irreal und bildet nur eine Zwischenstufe auf dem Weg zum gänzlichen Verschwinden. Eine Vorstellung von Kirche entsteht so, derzufolge diese nichts ist als ein zu jeder geschichtlichen Wirklichkeit außer Vergleich stehender Hoffnungswert - List des Gewissens, mit welcher es der Entscheidung vor dem Willen Christi ausweicht.
Wie der Ausdruck in unseren Überlegungen gebraucht wird, meint er einen Charakter, den die wirkliche Kirche hat. Sie ist eschatologisch bestimmt und geschichtlich gegenwärtig zugleich; Gegenstand der Hoffnung und der heutigen Begegnung in einem.
Die Bedeutung des Begriffes »eschatologisch« begegnet uns zuerst bei Paulus. Vor allem unter dem Einfluß der alles bestimmenden Erfahrung auf dem Weg nach Damaskus, wo er den auferstandenen und im Pneuma verklärten Herrn als eine alles irdische Maß übersteigende Macht erlebt - vielleicht aber auch unter dem Einfluß von Worten Jesu, wie sie der Überlieferung von Johannes 21,22 zu Grunde liegen: »Wenn Ich will, daß er bleibt, bis Ich komme, was kümmert das dich?« Danach erwartet der Apostel die Wiederkunft des Herrn und damit das Ende aller Dinge zeitlich bald. Derart bald, daß es seine Lehre vom Verhältnis des Christen zu den Weltfragen beeinflußt. »... die Gestalt dieser Welt vergeht«, heißt es im ersten Korintherbrief (1 Kor 7,31); daher hat es keinen Sinn, sich um Besitz zu mühen, oder eine Familie zu gründen (1 Kor 7,30-38). Das ganze Dasein des Christen steht in der Erwartung, Christus werde bald wiederkommen und sein Reich der Ewigkeit aufrichten. Diese Stimmung, die auch das Leben der frühesten Gemeinde beeinflußt - siehe die ersten Kapitel der Apostelgeschichte (Apg 4,32ff; 5,1-11) - läßt dann aber nach. In den späteren paulinischen Briefen ist sie nicht mehr wirksam.

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