Romano Guardini Online Konkordanz
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trifft der Mensch immer auf bereits geformte Natur. Immer hat er wenigstens ein Mindestmaß an Ordnungen, Dingen, Geräten um sich. Und auch in sich selbst findet er von vorn herein geformte Natur, denn seinem ganzen Bestande nach ist er Erbe. Gestalt wie Schaffen vergangener Geschlechter sind in seinem lebendigen Sein Blut und Faser geworden.
Auch reine Kultur bedeutet einen Grenzwert. Selbst das durchformteste Gebilde setzt naturgegebenes menschliches Sein und naturgegebene Dinge voraus.
Sobald man also Natur und Kultur nicht als Grenzwerte, sondern als mögliche Werte nimmt, sind sie immer miteinander verbunden. Dennoch liegt klar, was jedes meint.
Das genügt für unsere Zwecke. Weitere Fragen, so etwa, wie sich echte, werthafte, von unechter, wertloser Kultur unterscheide, wie sich der Gesamtbereich der Kultur in eigentliche, "geistige" und bloß zivilisatorische sondere usf., haben für uns hier keine Bedeutung.
Das Wort "Christentum" meint nicht etwas Allgemeines religionsgeschichtlicher, religionspsychologischer oder philosophischer Herkunft, sondern etwas durchaus Konkretes: es meint das Ereignis und den Inhalt der Offenbarung, geschehen in der historischen Persönlichkeit des Gottmenschen Jesus Christus; in die Geschichte hineingebaut durch den im Pfingstereignis personal in die Welt eingetretenen Heiligen Geist.
Unsere Frage heißt nun: Wie steht dieses Christentum zur Kultur? Sobald man nicht von vorgesetzten Maßstäben ausgeht, wie es sich zu verhalten habe, sondern das Christentum selbst befragt; und keine erdachte oder geforderte Kultur im Auge hat, sondern jene, die wirklich sein kann?
Die Frage läßt sich näherhin so bestimmen:
Kommt vor dem Christentum Kultur als wirklicher Wert in Betracht?
Ist es möglich, die christlichen Gegebenheiten, also Wahrheiten, Normen, Impulse, Persongestalten, in den Kulturbereich hineinzutragen, so daß sie darin als Antrieb, als Mittel zur

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