Romano Guardini Online Konkordanz
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vollzogen wird. Die genannte Anschauung erinnert aber daran, daß die rein theoretische Untersuchung eines Offenbarungsinhaltes - verfahre sie nun systematisch oder historisch oder wie immer - die aus methodischen Gründen vollzogene Isolierung eines bestimmten Aspektes bildet und insofern berechtigt ist, aber der Fortführung in die Wirklichkeit des christlichen Lebens bedarf.
So schien uns damals der Versuch von Wilhelm Koch, die theologische Durchdringung des Offenbarungsinhaltes an das Leben heranzubringen, sehr bedeutungsvoll. Und mir liegt daran, heute, nachdem mehr als ein halbes Jahrhundert vergangen ist, nicht nur aus Dankbarkeit, sondern auch um der sachlichen Bedeutung seines Versuches willen, den Namen meines verehrten Lehrers zu nennen.
Jener Versuch war unzulänglich, wie erste Versuche es meistens sind. Er war aber auch wohl nicht richtig angesetzt. Die Wahrheit, die in der Offenbarung kund wird, ist nicht nur von solcher Art, daß sich aus ihr Folgerungen für das praktische Leben ergeben, sondern sie ist von vornherein und wesentlich anderer Natur als die einer einfachen gegenständlichen Erkenntnis. Diese besagt: Der vorliegende Sachverhalt ist so und so geartet - er geht aus diesen Ursachen hervor usw. Dabei ist aber der Aussagende selbst, ebenso wie der Hörer, nur durch den Ernst der Wahrheitssuche beteiligt. Die Offenbarung hingegen macht kund, was Gott getan hat; wie durch dieses göttliche Handeln der Mensch begründet sei; wie der Mensch sich verhalten und wie sich von daher das individuelle und gesamtgeschichtliche Dasein gestaltet habe. Tiefer zurück gefragt: sie macht kund, wie Gott dem Menschen gegenüber gesinnt und in welches konkrete, über den Sinn seiner Existenz entscheidende Verhältnis letzterer dadurch gestellt sei. Der Gegenstand jener Wissenschaft, die sich mit der Offenbarung und ihrem Inhalt beschäftigt, nämlich der Theologie, sei also von vornherein nicht bloß ein Sein, nicht bloß ein Geschehen, sondern ein Tun, ein Handeln Gottes. Es sei von seiner Gesinnung bestimmt und rufe die gesinnungsbestimmte Entscheidung des Menschen. Dieses Tun Gottes - und, von dorther möglich werdend und gerufen, Tun des Menschen - sei aber nicht abgeschlossen, so daß es objektiv daläge, sondern es gehe weiter,

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