Romano Guardini Online Konkordanz
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sein. Ich weiß, ich hätte es unterlassen können. Nun aber ist es. Und es ist unauslöschbar. Es ist ein Faktum, das nicht mehr weggestrichen werden kann, das seine Wirkungen für mich und für andere hat, und unausweichlich hat.
Tatsache ist also dasjenige, von dem nicht eingesehen werden kann, warum es sein und so sein muß; das, was aber unausstreichbar da ist, unentrinnbar wirklich, unaufhebbar wirksam. Und hier gilt es, sein Empfinden wachzuhalten, und sich von einer oberflächlichen naturwissenschaftlichen Kausalitätsanschauung nicht einschüchtern zu lassen. Gewiß, dafür, daß ich so bin und die Bestandteile und Voraussetzungen meines Lebens so sind, gibt es viele Ursachen: soziologische, historische, vererbungsmäßige, biologische, physiologische usf. Das alles besagt aber - ganz abgesehen vom sehr verschiedenartigen Charakter dieser "Gesetze" - immer nur, daß, wenn dies geschieht, jenes geschieht; daß, wenn dies geschieht, es so geschieht. Dafür ist Notwendigkeit einzusehen; eben die des betreffenden "Gesetzes". Aber dafür, daß überhaupt "dies" geschieht, ist keine Notwendigkeit einzusehen. Denn es läuft auf das absolut Undurchdringliche hinaus, daß überhaupt diese Welt ist; daß sie so ist, und nicht anders; daß sie diese Eigenschaften und diese Maße hat, und nicht andere. Man muß sein elementares metaphysisches Gefühl abstumpfen - wie es der Empirismus tut, die naturwissenschaftliche Gesetzesanbetung - oder betrügen - wie es der Pantheismus tut -, um nicht ganz deutlich zu sehen: Unser Dasein ist im letzten Tatsache, nicht Notwendigkeit. Da liegt die Wurzel des Tragischen. Es löst sich erst im Glauben, nicht nur an einen Schöpfergott, sondern daran, daß dieser Gott die Liebe und der Vater ist.
In diesem Sinn ruht unser ganzes Dasein auf Tatsachen. Beständig entstehen neue Tatsachen um uns her, die für uns von Bedeutung sind. Beständig bringen wir selbst neue Tatsachen hervor und stellen so Unabänderlichkeiten in unser und der Anderen Leben. Solche Tatsachen sind Unabänderlichkeit.

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