Romano Guardini Online Konkordanz
Treffernummer:

 < Seite 182> 


Die Mühle; ja, ich wüßte auch nicht, soll ich mich freuen, oder nicht.*512 Aber es ist gewiß gut so. Du hast Recht, die Hoffnung hat den Platz behauptet. Es wird auch ganz werden. D. M. hab ich einmal geschrieben, daß ich im Kanon post consecrationem beim Namen Caecilia aus eigener Vollmacht eine inclinatio capitis eingefügt habe.*513 Wenn das nicht hilft! Ja, und denkt ihr auch an uns, gelt?
Hast Du Aussichten, selbständig zu werden? Kannst Du Dich nicht melden? Es scheint ja, daß Vater Kn. selbst es gar nicht erwarten kann, bis es so weit ist.*514 - Recht hast Du schon; da hat die Hoffnung eine Kraftprobe gewonnen, die kann sich sehen lassen. -
Denke Dir, mitten in all den Geschichten gehts mit der Entwicklung meiner Gedankenwelt so recht vorwärts. Nebenher, denn ich komme nicht viel zu eigenem Arbeiten, weil ich außer der Berufstätigkeit manche Verpflichtungen, Verkehr u.s.w. habe, und öfters daheim bin.
Ein paar Wochen hätt' ich gern, um mir eine Arbeit wenigstens als Skizze vom Herzen zu schreiben, die mich nah angeht. So sehr, daß ich kaum an diese Fragen denken darf, weil es dann gleich anfängt zu rumoren.*515 Es handelt sich darum, für die zwei letzten data des menschlichen Daseins, für die Idee (das Objektiv-Letzte) und das Ich (das Subjektiv-Letzte) eine Phaenomenologie aufzustellen. D. h. den Gegensatzgedanken durchzuführen. Dann zu zeigen, wie die beiden Seiten der Idee (Typus des Seins ? Richtung des Willens, der Tat, der Gesinnung) und des Ichs (Strukturzentrum ? Richtungskonstante) zueinanderstehen: Primat des Statischen (Wahrheit, Sein, platonische Idee bzw. ruhendes, kontemplatives Ich) oder des Dynamischen (Gutheit, Tat, moderne ­Wertidee bzw. aktives schöpferisches Ich)? Daraus eine aus dem Innersten heraus arbeitende Analyse des »katholischen Geistes«: Primat des Statischen (wie oben.) des »Logos«, für gewisse Gebiete; anderseits des Dynamischen, des »Ethos«, für andere. Trotzdem aber, und endgültig, einen organischen Primat des Logos über den [!] Ethos, der Kontemplation über die Aktion, des Seins über die Gesinnung.*516

512 Der Verkauf der Aumühle erfolgte 1916.
513 Maria Knoepfler war als hl. Caecilia im Deckenfresko der Wangener Spitalkirche von Gebhard Fugel abgebildet worden; vgl. Br. 21. - Im Meßkanon nach der Wandlung werden die frühchristlichen Märtyrer, u.a. Caecilia, genannt; dabei wurde die »Neigung des Hauptes« eingefügt.
514 Eine selbständige Pfarrstelle bedeutete auch, daß Maria Knoepfler und ihr Vater in Weigers Pfarrhaus umsiedeln konnten, wie es dann in Mooshausen der Fall war.
515 Im folgenden werden einige Grundzüge Vom Geist der Liturgie (1918) entfaltet.
516 Kurz zuvor (datiert vom Gründonnerstag 1916) schreibt Guardini an Heidegger: »Ich schicke Ihnen hier einen zweiten Aufsatz, in dem der Begriff des ?lebendigen Subjekts? eine ganz spezielle Anwendung erfährt. (...) Aber ich glaube, wir gehen wirklich gemeinsamen Weg. Ich möchte erkennen und sagen, worin der geheimnisvolle ?Geist des Katholizismus? besteht, und glaube fast, ihn sehen zu dürfen in der lebendigen Ineinssetzung bzw. Beziehung von höchster bzw. empirischer Realität und Idealität.« Zit. nach: Briefe Romano Guardinis an Martin Heidegger (1916), in: Alfred Denker/Hans-Helmuth Gander/Holger Zaborowski (Hg.), Heidegger und die Anfänge seines Denkens. Heidegger-Jahrbuch 1, Freiburg/Müchen (Alber) 2004, 70. Die Herausgeber vermuten in dem Aufsatz Guardinis Reflexionen zum Gehorsam bzw. zur sittlichen Freiheit, in: Pharus (1916); eher scheint die Stelle aber wegen der »Analyse des katholischen Geistes« auf einen frühen Entwurf Vom Geist der Liturgie hinzudeuten.

 < Seite 182>