![]() | Treffernummer: |
| < | Seite 37 | > |
gesagt hat. Zugleich freilich ist es die Kindheit überhaupt, von der die Rede geht; denn je unmittelbarer aus dem eigenen Erleben heraus ein wirklicher Dichter spricht, desto allgemeiner gilt, was er sagt. In Rilkes Werk kehrt das Bild des Kindes mit seiner Not und seiner seltsamen Geborgenheit immer wieder - siehe vor allem die vierte Elegie, in welcher es wie ein Sternzeichen an den Himmel des Daseins gesetzt ist. *6 Das Kind bildet eine Urfigur des Menschlichen; Schlüssel zu dessen Rätsel und Verheißung für seine Möglichkeiten - zusammen mit jener der Mutter, welche derart eng mit ihr verbunden ist, daß man sagen kann, sie stellen zwei Seiten eines nicht mehr benennbaren Ganzen dar. Neben diesem Paar stehen die Figuren der Liebenden, des Helden und des Tänzers; nicht zu vergessen das Tier, das in seiner geheimnisvollen Durchsichtigkeit deutlich macht, wie fragwürdig der Mensch ist, und der Baum, dessen Bild in allen Bereichen des Daseins erscheint, auf mannigfache Weise immer wieder das Gleiche offenbarend. In unserem Fragment erscheint das Kind aber nicht als Zeichen, sondern so, daß die Geschichte seines Werdens gedeutet wird; der innerste Sinn dieses Werdens, an welchem sich zugleich das Schicksal der Mutter offenbart. Er verwirklicht sich zwischen Geborgenheit und Gefährdung, und das beständige Hin und Wider der seelischen Bewegungen wird zur inneren Form des Gedichts. Die erste Strophe Sie spricht von jenem Charakter der Kindheit, der sich von der "arché", dem Urbereich her bestimmt. Laß dir, daß Kindheit war, diese namenlose Treue der Himmlischen, nicht widerrufen vom Schicksal; *6 Vgl. Guardini, R. M. Rilkes Deutung des Daseins (im Folgenden mit "D. d. D." zitiert), S. 171ff. | ||
| < | Seite 37 | > |