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alle menschlich-religiösen Strukturen und so kann schon in ihr eine Äusserung, welche dem einen gemäss ist, dem anderen fern liegen - um wie viel mehr dann, wenn es sich um einen Aussenstehenden handelt, dem jenes Einvernehmen fehlt, das in der Kirche auch noch die verschiedensten Formen religiösen Empfindens verbindet. Über diese Fragen kann ich nicht weiter sprechen. Dazu müsste ich zu weit ausholen. Etwas anderes aber hat mich an der Stellungnahme sehr stark berührt. Der Schreibende nennt das Mariengebet »völlig unbiblisch und widerchristlich«, »Blasphemie und Heidentum.« Er macht nicht den leisesten Versuch, es zu verstehen. Es läge z.B. nahe, zu bedenken, dass in den romanischen Sprachen der superlativus elativus sehr gebräuchlich ist, und daher ein Ausdruck wie »wir vertrauen einzig und allein auf die unendliche Güte deines mütterlichen Herzens« und ähnliche von vornherein nichts zu bedeuten brauchen, was Gottes Ehre antastet, vielmehr nur einen hochgesteigerten Ausdruck begeisterten Vertrauens - ja, dass sie nichts derartiges bedeuten können, sobald man sich gegenwärtig hält, was Liturgie, Dogma und religiöse Praxis bezeugen, dass nämlich Gott allein Gott, Christus allein der Erlöser und Maria bei aller Einzigartigkeit ihrer Existenz nur Geschöpf, Erlöste und aus Gottes Gnade Lebende ist. Ebenso könnte man daran denken, dass es auch eine Sprache des Herzens gibt, welche die Worte nicht ängstlich wägt, und gar nicht auf den Gedanken kommt, man könne sie mit ausser jedem Zweifel stehenden Wahrheiten in Widerspruch setzen. An Dinge dieser Art deutet der Schreibende keinen Augenblick, sondern nimmt mit Selbstverständlichkeit an, die katholische Kirche sei unbiblisch und widerchristlich, blasphemisch und heidnisch. Das ganze Zeugnis ihrer langen Tradition sowohl wie der heute lebenden katholischen Christen wird mit einer Selbstsicherheit zur Seite gefegt, die erschüttert. Das, lieber Freund, ist unbiblisch und widerchristlich, blasphemisch und heidnisch! Es ist die alte protestantische Überhebung, die so selbstsicher ist, und den Willen zur Gerechtigkeit dem katholischen Christentum gegenüber so vollkommen verloren hat, dass sie überhaupt nicht auf den Gedanken kommt, eine so interne Äusserung, wie ein Gebet, könne etwas anderes bedeuten, als sie ihrem eigenen Empfinden zu bedeuten scheint. Welche Empörung würde sich erheben, wenn ein Katholik es entsprechend machte! Aber seit den Tagen Luthers ist man der katholischen Kirche gegenüber von allen Gesetzen der Billigkeit - von Liebe zu | ||
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