Romano Guardini Online Konkordanz
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So fragen wir denn jetzt:
Was den Christen zu einem solchen macht, ist sein Glaube; jenes innere Leben, das die verkündete Offenbarung in ihm weckt, sobald er sie in sich aufnimmt. Wie steht nun Jesus zu diesem Glauben?
Doch meinen wir damit nicht, was Er über den Glauben sagt, oder wie Er zum Glauben führt, oder was Er von ihm fordert, sondern, ob Er selbst ein Glaubender ist.
Wenn Jesus vom Vater spricht - spricht Er da aus Glauben heraus? Es gibt eine Auffassung von Jesus und seinem Gottesverhältnis, die sagt: Jesus war ein Mensch wie wir; in allem Einer aus uns. Er hat, wie wir, nach dem Heil gesucht. Er hat es, so wie es auch uns verheißen und aufgegeben ist, in seinem Gottesverhältnis gefunden. Das ist gerade das Große an ihm, daß er nur Mensch war, wenn auch der höchste und gottnächste. Darum kann er uns wirklich Führer sein. Er steht in einer Linie mit uns, wenn auch ein großes Stück voran. Sein Leben hat die gleiche Richtung wie das unsere, aus dem Menschlichen zu Gott hin. So war er auch ein Glaubender. Wohl mit schöpferischer Kraft, so, daß er förmlich die christliche Glaubenshaltung begründet, vorgelebt hat; aber er hat geglaubt.
In dieser Auffassung liegt etwas Großes. Ein besonderes Verlangen lebt in ihr, mit dem Christlichen wirklich ernst zu machen. Sie glaubt das aber nur zu können, wenn jener, der diese christliche Haltung gebracht hat, ganz Einer von uns ist. Eben darin empfindet sie das Aufrufende und Starke; das eigentlich Verpflichtende, ans Wirkliche Greifende.
Dazu wäre viel zu sagen. Vor allem, daß es bei solcher Auffassung eine wirkliche Erlösung nicht mehr gibt. Damit fällt aber das Tiefste des Christentums. Doch ganz abgesehen davon: Schlagen wir das Neue Testament auf und sehen wir, wie Jesus zu Gott steht; wie Er von Ihm spricht; wie Er selbst in diesem seinem Sprechen vor Gott steht - so müssen wir sagen: von dem, was jene Auffassung meint, ist da nichts.

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