Romano Guardini Online Konkordanz
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In München
Zwei Werke aus der Glyptothek sind mir in Erinnerung geblieben. Zuerst die beiden Mädchen an der Herme. Die links, stehend und mit kräftigen Gliedern, hebt den Arm, um den Hermenkopf zu bekränzen. Die andere, in wundervoll sich faltendem Gewande, hat gerade, tief niedergeneigt, die Sandale losgelöst, und diese fällt. Eine blühende Freiheit liegt darüber.
Dann ist da eine Grabstele; ein Abschied wohl von Mutter und Tochter. Beider Haupt ist gesenkt. Die Mutter sitzt; die junge Tochter steht vor ihr. Die Gebärde ist ganz leise, die Bewegung still. Wie das rührt! Keine Hoffnung, nur gefaßte Haltung. Aber das Leben strömt so stark, daß es doch hofft und weiß nicht wie.

Durch Tirol
In München war's noch trübe, die Luft voll feinstäubender Feuchtigkeit. Bald lichtete es sich aber. Über dem Brenner stiegen die Berge in freudiger Klarheit auf, und ihre weißen Grate schimmerten hart und kostbar gegen den blauen Himmel.
Dunkler Wald kam einen Hang herunter. Auf einmal schoß ein blauer Blitz heraus - ein Schneefeld war von der Sonne getroffen worden.
In einem kleinen Friedhof, hoch über dem Lago Maggiore, las ich einmal auf der Grabinschrift einer Mutter:
Fu affettuosa, pia, cortese.
Was kann man von einer Mutter Größeres sagen, als daß sie liebevoll war; ihre ganze Art so, daß dem Anderen bei ihr

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