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finden. Das aber tut unsere Zeit nicht gern. Sie liebt die einfachen Formeln, denn sie verwechselt gern deren Handlichkeit mit Wahrheit. So frage ich mich, welche Form des Antwortens wohl die beste sei, um klarzumachen, worum es geht, und dem Leser die Stellungnahme zu erleichtern. Ich könnte die gleiche Methode anwenden, die Du angewendet hast, und Punkt um Punkt Deiner Kritik folgen. Damit käme ich aber ins Uferlose. Vielleicht ist es also besser, ich suche nach einem Punkt, von dem aus die Verschiedenheit unserer Stellungnahme deutlich wird. Wenn ich recht sehe, liegt sie in folgendem: Du gehst von einem theoretischen Standpunkt aus. Du fragst nach dem Wesen des Menschen, der Freiheit, der Masse, der Maschine usw. und trittst von dorther beurteilend an die Geschichte heran. Meine Betrachtungsweise – genauer gesagt, jene, welche die beiden Bücher anwenden – ist eine praktische. Gewiß muß ich auch philosophisch nach dem Wesen der Dinge fragen, tue es aber aus der Situation heraus, in der sich unser Dasein heute befindet, und daraufhin, wie ihr geholfen werden könne. Dadurch komme ich in die Gefahr, die Wucht der Realität stärker zu fühlen als die Gültigkeit der Norm – eben das, was Deine Kritik als ein Kapitulieren vor der Geschichte bezeichnet. Diese Gefahr ist da; sie muß sich aber nicht notwendig verwirklichen. Geschieht es, dann ist der Blick nicht klar und die Wachsamkeit der Norm gegenüber nicht sicher genug gewesen. Gegen die Methode selbst wäre damit noch nichts bewiesen. Von Deiner Methode ist das Umgekehrte zu sagen: Sie hat die Chance, die Norm, das Wesen der betreffenden Dinge genau und allseitig zu sehen; dafür kommt sie aber in Gefahr, den in der Geschichte liegenden Auftrag, seine Dringlichkeit sowohl wie die Möglichkeiten seiner Verwirklichung nicht genug zu empfinden. | ||
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