Romano Guardini Online Konkordanz
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Worauf ich innerlich wartete, war - und hieraus mag die umständliche Einleitung für eine so kleine Sache gerechtfertigt sein; nicht in der Masse eines Vorgangs, sondern in seiner Sinntragweite liegt ja seine Bedeutung! - war also dies: Wie würde der Sprechende zum Hörenden stehen? Wie würde das innere Verhältnis dieses Ich-Du sich aus seiner besonderen Art heraus gestalten? Die innere "Soziologie" dieses Verhältnisses - wie würde die sein? Ähnlichkeiten gingen mir durch den Kopf. Bald dachte ich an das russische "An alle". Bald an ein mit sehr Vielen geführtes Telefongespräch ...
Als ich dann in das Redezimmer geführt worden war, und zwischen den mit schweren Vorhängen abgestillten Wänden vor dem Tisch saß, dem Mikrophon gegenüber, da ist es mir eigen ergangen. All die vertrauten Formen des Rede-Höre-Verhältnisses waren ausgelöscht. Es war nicht so, wie wenn ich im Hörsaal stand; als Einzelner, beauftragt, einer sichtbaren Zuhörerschaft gegenüber. Nicht wie im Gespräch, zu zweien, oder mehreren. Nicht wie im Kreis, mit seinen sich kreuzenden Rede-Höre-Beziehungen. Nicht wie vor dem Telefon, aus dem der Hörende, wenn auch unsichtbar, antwortet. Oder beim Schreiben eines Briefes, wo der Empfänger, nicht leibhaftig redend, aber doch vorgestellt anwesend, hereinspricht. Ja selbst das russische "An Alle" - ich gestehe, es hatte mir gut gefallen, und ich war darauf eingerichtet, meine Stellung als Sprechender würde in dieses historisch gewordene und ein bißchen effektvolle Schema hineinpassen - selbst das ging nicht. Alle Formen des Redens und Hörens, die ich bis dahin gekannt oder mir gedacht hatte, versagten. Keins der bekannten soziologischen Typen wollte die Erfahrung dieses Sprechens in sich aufnehmen.
Ja, zuerst versank überhaupt jedes "Du". Ich saß einfach vor einer kleinen, hellen Platte, redete, und kein Laut kam zurück; nichts sah her. Ich fand mich ganz in mich zurückgewiesen. Ganz allein mit mir selbst. Zuweilen machte ich unwillkürlich eine Bewegung mit der Hand, und mußte dann selbst lächeln. Wozu das? Ich führte ein richtiges Selbstgespräch. Ganz gesammelt

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