Romano Guardini Online Konkordanz
Treffernummer:

 < Seite 18> 


ganz unberührten Natur ist selbst bereits ein Kulturergebnis, aus dem Übermaß eines verkünstlichten Daseins entspringend. Wirklich anzugehen beginnt die Natur uns erst, wenn sie anfängt, durchwohnt zu werden; wenn in ihr Kultur beginnt. Die schreitet dann fort, Stück um Stück der Natur wird gestaltet. Der Mensch schafft darin seine eigene Welt, geformt nach Gedanken, beherrscht nicht nur von naturhaftem Trieb, sondern von gesetzten Zwecken, geistigen Wesenheiten dienend; als eine Umwelt, die auf ihn bezogen und von ihm her durch wirkt ist.
Wie steht nun diese Menschenwelt zur Naturwelt? Sie entfernt sich notwendig von ihr. Sie hebt die natürlichen Dinge und Beziehungen in eine andere Sphäre, die des Gedachten, Gewollten, Gesetzten, Geschaffenen, immer irgendwie Naturfernen: Die Sphäre des Kulturellen. In dieser Kulturwelt lebt der Mensch. In der ersten Natur, jener Ordnung, in welcher das Tier lebt, kann der Mensch nicht sein. Menschensein ist geistdurchwirkt. Der Geist kann aber nur schaffen, wenn er der Natur ihre, ich möchte sagen, vordringliche Wirklichkeit in etwa genommen hat. Der Geist kann nur schaffen, wenn die Sphäre des Naturhaft-Wirklichen durch die des Bewußtseins, des Naturhaft-Ideellen also, gewissermaßen aufgelockert, in Frage gestellt, verdünnt ist. Ich mache mir selbst den Einwand, Geist sei doch Wirklichkeit, und müsse doch fähig sein, ungeschwächte Natur-Wirklichkeit zu packen. Dennoch scheint alles geistige Schaffen eine Art Askese vorauszusetzen: eine Art Aufbrechung, Lösung, Entwirklichung der Natur. Dann erst kann der Mensch sein Werk aufrichten.
So scheint alle Kultur von vornherein etwas Naturfremdes an sich zu haben; etwas Unwirkliches, Künstliches. Das steigert sich, bis eine gewisse Grenze erreicht ist: Ein Höchstmaß geistgesättigter Kultur. Die ist von der Natur entfernt, wie es im Wesen jenes Verhältnisses liegt; ihr aber doch immer noch

 < Seite 18>