Romano Guardini Online Konkordanz
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Weltkämpfe mit ihren Folgen nicht zu vergessen – vom Gentleman im alten Sinne spräche. Kürzlich begegnete mir wieder das Wort vom „permanenten Krieg“, vom Krieg als Normalzustand der kommenden Zeit, je nachdem heiß oder kalt: sollte man da nicht eher die Menschen lehren, sich mit einer sehr dicken Haut und sehr harten Fäusten zu versehen, und nicht viel nach Feinheiten zu fragen?
Ja, schon die Tatsache, daß wir von einem fremden Wort ausgehen mußten und kein deutsches für das Gemeinte fanden, war entmutigend. Wie kann man etwas bestimmen, dem die eigene Sprache keinen Ausdruck zur Verfügung stellt? Wenn es sich dabei um etwas handelt, das ohne weiteres verständlich, ja selbstverständlich sein sollte? Oder ist das deutsche Wesen so kompliziert, daß es einen allgemein gültigen Ausdruck für rechte Männlichkeit in ihm nicht gibt?
Inzwischen ist mir die Frage viel durch den Sinn gegangen – vielleicht läßt sich dazu noch etwas sagen.
Ich lasse die Frage nach dem brauchbaren Wort auf sich beruhen und beschränke mich auf die Sache. Was meint man, wenn man vom Gentleman spricht?
Man könnte sagen, er sei Einer, auf den Verlaß sei. Von dem man wisse, wie er sich in bestimmten Situationen benehmen werde. Und zwar werde er darauf bedacht sein, daß die Dinge sich vernünftig und freundlich fügen, damit das so viel bedrängte und behinderte Leben weitergehen könne ... Das wäre schon viel, aber noch nicht genug. Wichtiges würde fehlen.
Man müßte hinzufügen, der Gentleman sei Einer, der Ehre im Leibe habe. Nicht nur äußerliche, auf die Schätzung der Anderen hin, sondern innere. Eine Ehre, die aus dem unwillkürlichen Sinn für Recht und Unrecht komme; mit Selbstverständlichkeit zwischen Sauber und Schmutzig, Anständig und Gemein unterscheide. Ein Gefühl und Urteil für Ehre, das aber nicht phantastisch, sondern auf das wirkliche Leben bezogen ist, und daher imstande, die täglichen Situationen richtig zu meistern. Ein Ehren-Takt, wenn man so sagen darf ... Und er sei Einer, der Mut habe. Damit wäre nicht gemeint, er dürfe

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