Romano Guardini Online Konkordanz
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überdauernde Bindung. Solche Eigenschaften sind schön - wenn sie auch natürlich ihre Schattenseiten haben: die Gefahr der Starrheit, der Enge und der Ungerechtigkeit. Sie sind aber, wie gesagt, eine Sache natürlicher Veranlagung, die man sich nicht selbst geben und auch nicht von einem Menschen ethisch fordern kann.
Andere Naturen sind anders geartet, aber auch sie sind zur Treue verpflichtet. Diese kann bei ihnen nicht von einer besonderen seelischen Struktur getragen sein, sondern muß auf einer Grundlage ruhen, die in jedem vorausgesetzt werden kann. Das ist die menschliche Person, ihre Einsicht in Wahr und Falsch, Recht und Unrecht, Ehre und Ehrlosigkeit; die Freiheit ihrer Entscheidung und die Festigkeit, mit der sie diese Entscheidung um des anderen Menschen und seines Vertrauens, um der gewählten Sache willen festhält, beziehungsweise immer wieder aufrichtet, so oft sie zu fallen droht.
Was ist der Sinn dieser Tugend? Man kann sie als eine Kraft beschreiben, welche die Zeit, das heißt, Wandel und Vergehen überwindet - aber nicht, wie die Härte des Steins, in starrer Festgelegtheit, sondern lebendig wachsend und schaffend. Suchen wir ihr Bild vor die Augen zu bringen.
Da sind zwei Menschen einander begegnet; haben für einander Liebe gewonnen und entschließen sich zur Ehe. Was am Anfang diese Verbundenheit trägt, ist das Verlangen der einen Vitalität nach der anderen; sind Empfindungen der Sympathie, gemeinsame Erlebnisse, Übereinstimmungen im Verhältnis zu Natur und Menschen, gleiche Vorlieben und Neigungen, und so fort.
Diese Gefühle scheinen zuerst Dauer fürs Leben zu gewährleisten. Sie lassen aber leicht nach; Unterschiede, wie sie sich unter verschiedenen Menschen immer finden, treten hervor -und nun ist es Zeit für die wirkliche Treue, daß nämlich jeder der Beiden sich bewußt werde: Der Andere vertraut mir. Er verläßt sich auf mich. Wir sind einen Bund eingegangen, der

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