Romano Guardini Online Konkordanz
Treffernummer:

 < Seite 36> 


Ich tus gern, Gebete verfassen.*5 Es ist mir wie ein Gedicht, in das ich einen Wunsch oder einen Gedanken hineinlege. Vielleicht schicke ich Dir einmal einige. Hier setze ich dir eines her, ? das mir selbst besonders lieb ist.
Domine Jesu Christe, qui unus es et unicus,
via et veritas et vita, quem invenire tota est salus,
inveniam te, Dne!
Revela oculos meos, ut videant te; converte et inflamma
voluntatem meam ut amem te.
Vivam tecum et secundum te et tibi;
ut non ego vivam, sed tu Dne in me. Amen.
*6
Sind's wieder die alten Fragen über Buße und Rechtfertigung, die Dir zu schaffen machen? Oder das, worüber wir letzthin sprachen? Oder sinds andere Hydraköpfe? (Das religiöse Leben ? salva pietate*7 ? ist wahrhaftig so'ne Viech! Kaum ist ein Kopf herunter, stehen ein paar andere da!) Was macht die Gesundheit Deines Vaters? Es ist doch jetzt, hoff' ich wieder alles gut, nicht? Wie gehts Paul? Seinen häuslichen Verhältnissen?
Was macht die Nationaloekonomie?*8 Was Weininger?*9 Er hat Dir hoffentlich nichts getan, mit seinen gewaltigen Verzerrungen, auch in moralphilosophischen Fragen. Hier nenn' ich Dir einige sehr feine Sachen.
Förster Charakter und Christus (d. h. männliche und
weibliche Seelenart in ihren Beziehungen zur
5 Vgl. Romano Guardini, Theologische Gebete, Frankfurt (Knecht) 1948 (M 679).
6 Herr Jesus Christus, der Du einer und einzig bist,
Weg und Wahrheit und Leben, den zu finden das ganze Heil umfaßt ?
möchte ich Dich finden, Herr!
Entschleire meine Augen, daß sie Dich sehen;
wende und entflamme meinen Willen, daß ich Dich liebe.
Leben will ich mit Dir und nach Dir und für Dich;
damit nicht ich lebe, sondern Du, Herr, in mir. Amen.

7 Bei aller Ehrfurcht.
8 Guardini war selbst drei Semester lang Student der Nationalökonomie gewesen: WS 1904/05 und SS 1905 in München, WS 1905/06 in Berlin - immer mit kläglichem Erfolg; vgl. BL 66f.
9 Otto Weininger (1880, Wien, bis 1903 ebd. Selbstmord), Philosoph. Werke: Geschlecht und Charakter, Wien 1903; Über die letzten Dinge, Wien 1904. Im WS 1904/05 las Guardini Weininger; vgl. Rudolf Frank, Meine Münchner Jahre, in: Hans Lamm (Hg.), Von Juden in München, Mainz 1958, 179?183: » (...) und auch die Pubertätsphilosophie von Otto Weiningers ?Geschlecht und Charakter' nahmen wir wichtig.«

 < Seite 36>