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gesunde Mensch kaum dazu kommt. Allein der Integr. will daraus ein System machen für alle, sogar für die öffentlichen Einrichtungen des kirchlichen Lebens. Es gelingt ihm ja nicht, nicht einmal bei einigen; die Natur schafft sich ihr Recht. Aber er versuchts immer wieder, und darin liegt der Druck, das Ungesunde seiner Wirkung. An sich, als psychol. Typus, hat er soviel Recht wie sein Gegenteil, solange er sich in den Grenzen hält und die Unterschiede respektiert. Er bedeutet dann den Versuch Gott und das Übernatürliche energisch ins volle Leben hineinzustellen, aus ihm die Dominante von allem zu machen. Allein er wird zum Unheil, sobald er sich ausschließlich durchsetzen will. - Und mir kommts nun vor, als ob die Fragen: Dogma und Vernunft; Autorität und Selbständigkeit; Liturgie und individuelles relig. Leben; Kirche und Staat... im Grunde nur Teilfragen jener obigen seien. Überall steht sich gegenüber: direkte, positive, durchgehende Bestimmung des individuell-sozialen Lebens durch das Objektive, Autoritäre, Religiöse; indirekte, negative d.h. erst am Ende die Ergebnisse am Objektiven prüfende Beziehung jenes Lebens zum Objektiv-Autoritären. Und hier wie stets im Lebendigen heißt die Lösung nicht: Entweder-Oder, sondern organische Verbindung. Sie ist im Grunde eine Sache des Maßes, des Gefühls für die Grenzen, für lebendiges Gleichgewicht. In diesem Zusammenhang ging mir auch recht der Begriff der discretio*429 auf. Discretio ist eben die Kunst, ehrfürchtig und behutsam die Faktoren des Lebendigen in fruchtbare Beziehung zu setzen. Nach diesem collegium erzähl ich Dir was Feines. Rol.*430 sagte mir: Als Hindenburg sich Ludendorff zum Generalstabschef bestimmte*431, da machte ihm einer Vorhaltungen. »Aber, Exzellenz, der Mann trinkt ja!« Da sagte Hindenburg seelenruhig: »Ich werde schon dafür sorgen, daß es ihm nie an Stoff fehlt.« Ist das nicht prachtvoll? - Wenn Du mir das Gedicht schicken willst, wär ich Dir sehr dankbar. Bitte Dein Mütterchen, daß sies mir abschreibt. Ebenso möchte ich gern einige Predigten. Ich denke immer mit dem Gefühl an Deine sermones, daß in ihnen eine starke, aber ruhige, kerngesunde Luft weht. Um recht zu wirken brauchen sie einige Zeit; sie sind so unaufdringlich und gehalten, daß die Leute sie leicht selbstverständlich nehmen. Aber mich 429 »Unterscheidung«: Begriff aus der Benedikt-Regel; vgl. Br. 1. 430 Ernst Max Roloff, vgl. Br. 50 und 57. 431 Paul von Hindenburg (1847, Posen, bis 1934, Neudeck), übernahm im I. Weltkrieg mit Erich Ludendorff (1865, Posen, bis 1937, Tutzing), der 1914 zum Generalstabschef berufen wurde, militärisch erfolgreich die Oberste Heeresleitung; 1925 wurde Hindenburg Reichspräsident und berief 1933 Hitler zum Reichskanzler. | ||
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