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Diese beiden Vorfälle haben eine Frage, die ich seit langem empfinde, sozusagen aussprachereif gemacht, und ich versuche, sie zu formulieren. Was heißt eigentlich Demokratie? Daß der Begriff einer Präzisierung bedarf, ist außer allem Zweifel. Wenn man ihm feindlich gesinnt wäre, könnte man sagen: laß den Gebrauch dieses Begriffs noch eine Weile so weitergehen, dann wird er bis in seine innersten Wurzeln hinein zerstört sein. Er hat heute im Grunde genommen gar keinen präzisen Sinn. Genaugenommen besagt er weiter nichts als Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus. Ich persönlich glaube wirklich, ein Demokrat zu sein – ich füge sofort hinzu, ein katholischer Demokrat, der absolute Werte und objektive Autoritäten als gegeben anerkennt. Wenn ich mein Gefühl frage – ich darf hinzufügen, daß dieses Gefühl nicht unbestimmt geblieben ist, sondern in vielen Jahren der Arbeit in einem großen Bunde der Jugendbewegung und in der Regierung einer Burg zuerst einem Bunde und dann dem aus dem Bunde kommenden Geiste gehörte, beständig Anlaß gehabt hat, zur Tat zu werden –, dann verstehe ich unter Demokratie folgendes: Einen Zustand des Lebens, in welchem die primäre Initiative des sowohl persönlichen wie öffentlichen Tuns im einzelnen liegt. Dieser Initiative steht gegenüber ein waches Bewußtsein vom Recht des anderen und vom Recht der Ganzheiten, der res publica. Sobald Letztere in legitimer Form eine Sache definiert hat (Verfassung, Gesetz, Urteilsspruch usw.), bindet sie mich, auch wenn ich anderer Meinung bin. So bleibt mir denn nur der vom Gesetz vorgesehene Weg, dagegen anzugehen. Zum demokratischen Grundgefühl gehört weiter die unwillkürliche Geneigtheit, mehr als das: die Selbstverständlichkeit, daß alle Fragen, die in den Lebensbereich des anderen oder in den der Gemeinschaft greifen, in ebenbürtiger Verhandlung, in einem vernünftigen und von Achtung getragenen Ausgleich gelöst werden. | ||
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